Der König ist tot – und doch lebt er. Sein Comeback ist Michael Jackson im letzten Jahr traurigerweise nicht mit seiner geplanten Konzertreihe namens This Is It gelungen, sondern mit seinem Tod. Nach dem Ableben Jacksons am 25. Juni 2009 stiegen seine Singles und Alben wieder auf vorderste Plätze der Single-Charts, der im Oktober veröffentlichte Konzertfilm This Is It ging als der erfolgreichste seiner Art in die Chroniken ein und auch die Videospielindustrie entdeckt einen der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts jetzt wieder für sich. Ubisoft bringt mit Michael Jackson – The Experience ein Spiel zu Ehren des King of Pop auf den Markt. Angeblich wurde es sogar noch zu seinen Lebzeiten mit Jackson geplant – auf der gamescom präsentierte man das Spiel erstmals einem breiten Publikum. Alle, die an ein Musikspiel à la The Beatles – Rock Band oder Guitar Hero – Metallica glauben, sind aber gehörig auf dem Holzweg.
Keine Hommage, sondern Kommerz
Vor diesem Anspielbericht muss eines klargestellt werden: Was Ubisoft auf der gamescom präsentierte, war eine Demo-Version, in der vieles noch nicht final gewesen sein soll. Doch wenn man von Michael Jackson – The Experience spricht, redet man nicht von einem fernen 2011er-Titel. Schon in diesem Herbst soll das Spiel erscheinen. Große Umwürfe im Gameplay wird es also nicht mehr geben.
Diese großen Umwürfe scheinen aber aus der wirtschaftlichen Sicht Ubisofts auch gar nicht nötig, denn der Publisher weiß ganz genau, was er mit Michael Jackson – The Experience macht und was er damit erreichen möchte – was er damit erreichen kann und wahrscheinlich ungeachtet aller Inhalte erreichen wird. Michael Jackson – The Experience erscheint auf Wii als Lead-Plattform, zumindest wurde der Titel der Öffentlichkeit nur für Nintendos Konsole vorgeführt. Und als Stichwort zu dieser Bemerkung sei schon an dieser Stelle ein Begriff eingestreut: Just Dance.
Ubisoft geht seit dem sagenhaften Erfolg von Just Dance auf Wii extrem aggressiv auf dem Gebiet der Tanzspiele vor und wirft fast im Minutentakt neue Klone des eigenen Konzeptes auf den Markt. Nachdem sich das mit Billigbudget entwickelte Tanzspiel mit geschicktem Marketing und ungewöhnlich starker Mund-zu-Mund-Propaganda drei Millionen Mal verkauft hatte, füllte Ubisoft die Lücke mit Dance on Broadway, ebenfalls billig, ebenfalls schon jetzt mit respektablen Verkaufsergebnissen. Und Just Dance 2 will man nun richtig groß werden lassen; Ubisoft bewarb es auf der gamescom u.a. am Nintendo-Stand und wird jetzt ordentliche Finanzmittel in aufwändige Kampagnen investieren.
Michael Jackson – The Experience soll auf genau diesen vorherrschenden Trend der Tanzspiele aufspringen. Es handelt sich nicht um eine künstlerische Hommage an den König der Popmusik mit möglichst vielen Facetten seines künstlerischen Schaffens, es handelt sich um knallharten Kommerz. Die Jackson-Lizenz wird einfach in das Just-Dance-Konzept gerührt - eine rein profitorientierte Idee, die auch gut von Vater Joe Jackson kommen könnte.
Just Dance mit Michael
Der offensichtlichste Beleg für diese Behauptung ist die Tatsache, dass das Just-Dance-Team auch der Entwickler des MJ-Videospiels ist. Doch anstatt sich in Paris Gedanken über eine künstlerische Umsetzung der Lizenz zu machen (wie es zum Beispiel bei The Beatles – Rock Band geschehen ist), bietet man einfach eine Jackson-Silhouette an, eine Pixelfigur ohne Gesicht, ohne Mimik und dadurch ohne jede Atmosphäre, die vor größtenteils statischen Hintergründen zu den Standardaufnahmen der größten Hits auf der Stelle tanzt. Seelenlos.
Zugegeben: Die Animation und die Nachbildung der Jackson-Choreografien sind sauber gemacht. Aber es ist halt nicht Michael Jackson, den man dort auf dem Bildschirm sieht, sondern einer dieser geisterhaft schimmernden, seelenlosen Just-Dance-Prototyp-Charaktere. Dieses Leblose an der Spielfigur hat fast schon polemischen Charakter.
Ansonsten ist alles haargenau so wie bei Just Dance. Ein kleines Symbol in der Ecke gibt an, welcher Move als nächstes ansteht und synchron mit der Spielfigur (die an dieser Stelle bewusst nicht als Michael bezeichnet wird) muss der Controller geschwungen werden. Wie schon bei Just Dance funktioniert das natürlich nur scheinbar. Der Wii-Controller in seiner Urform ist gar nicht in der Lage zu erkennen, in welche Richtung er genau geschwungen wird. Und was während dieser ganzen Tanzorgie die Beine machen, wird vom Controller und damit dem Spiel natürlich sowieso nicht erkannt. So werden die Punkte bei Michael Jackson – The Experience auch wieder sehr willkürlich und zufällig verteilt.
Und es gilt auch hier wieder: Wer nicht tanzen kann, wird es von Just Dance, pardon, Michael Jackson – The Experience nicht beigebracht bekommen, und wer tanzen kann, wird im Spiel keinen Vorteil dadurch haben, weil das Spiel nur rudimentäre Bewegungsmuster der Wiimote erkennt und einbezieht. Das Singen wird übrigens nur auf freiwilliger Basis implementiert - die Lyrics werden eingeblendet, aber kein Mikrofon unterstützt. Toll. So bleibt das Spielprinzip oberflächlich und verkommt fast zu einer reinen Videosammlung, die die Choreografien von Michael Jackson bzw. ziemlich billige Animationskopien davon präsentiert, ansonsten aber nicht viel bietet.
Was kommt noch?
Nach den Unmutsbekundungen wird es nun auch noch einmal Zeit für ein paar sachliche Worte. Wenn man den Versprechen der Entwickler glauben darf, dann wird es wenigstens nicht bei einem simplen Auswählen der paar Michael-Stücke bleiben. Man darf man die Karriere Jacksons wohl mitverfolgen und so zu den Choreos aus Jackson-5-Tagen wie aus späterer Karriere wackeln. Einen Choreografietrainer gibt es ebenfalls. Aber zu einem guten Spiel mit Seele und rotem Faden wie man es in The Beatles – Rock Band gesehen hat, wird es, so viel Pessimismus sei zum Schluss noch erlaubt, wohl nicht kommen. Wozu auch? Es ist Michael Jackson und Just Dance zusammen. It prints money - und die angepeilte Zielgruppe wird es letztendlich auch gar nicht interessieren, ob Ubisoft 10.000 oder 1.000.000 Euro für die Entwicklung ausgegeben hat.
Fazit:
Bei allem verbleibenden Optimismus angesichts der Tatsache, dass man auf der gamescom nur eine Demo zu Michael Jackson – The Experience gesehen hat, muss man schon sagen, dass es traurig ist, was Ubisoft mit der Jackson-Lizenz bisher anstellt. Just Dance mag ein unerwarteter und unverhoffter Goldesel für den Publisher gewesen sein und es sei Ubisoft auch gegönnt, dass man mit solchen Machwerken so viel Geld verdient. Aber Michael Jackson ist sozusagen eine Heilige Kuh. Man sollte sich mit dieser Lizenz Mühe geben, etwas Wertvolles erschaffen und damit dann auch gerne viel Geld verdienen. Geldverdienen ist nichts Unanständiges – aber man sollte Michael Jackson nicht in liebloser Just-Dance-Form an ahnungslose Familien verfüttern, die nicht unbedingt zwischen guter und schlechter spielerischer Umsetzung unterscheiden können. Dass der perfektionistische (und auch auf dem Gebiet der Videospiele nicht ganz unbewanderte) King of Pop dieses Konzept in dieser Form zu Lebzeiten noch genehmigt, unterstützt und mitentwickelt haben soll, kann mir in Paris bei Ubisoft auf jeden Fall keiner erzählen.
Quelle: WiiX.Net / GamesCom / Ubisoft & MJackson.NET
Bildquelle: nintendowiix.net (Foto: Ubisoft Michael Jackson - "The Experience")
Michael Jackson: Hands-On: "Michael Jackson The Experience" Artikeldetails:
Dieser Artikel wurde am Freitag, 27. August 2010 um 13:20 erstellt und ist in der Kategorie King of Pop abgelegt.You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Es besteht die Möglichkeit auf diesen Artikel zu antworten.
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