Die amerikanische Krankenschwester, Ernährungsberaterin und Heilpraktikerin Cherilyn Lee hatte Michael Jackson drei Monate lang wegen Energieverlust, Müdigkeit und Schlaflosigkeit mit natürlichen Heilmitteln behandelt, aber der King of Pop flehte sie regelrecht an, Schlafmittel zu verschreiben. BUNTE Online traf Cherilyn Lee in ihrer Praxis in Los Angeles.
Wie haben Sie Michael Jackson kennen gelernt?
Im Januar 2009 hat mich ein Freund angerufen, der einer von Michael Jacksons Sicherheitsbeamten war. Michaels Kinder hatten eine Grippe und ich sollte sie behandeln. Einen Tag später machte ich einen Hausbesuch und war überrascht, dass Michael Jackson auch da war. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Was ging durch Ihren Kopf, als sie plötzlich vor Michael Jackson standen?
Es war ein sehr surreales Erlebnis. Ich war zugegeben etwas nervös. Michael war allerdings so liebenswert und hat mir sofort gesagt, ich solle mich wie zuhause fühlen. Nachdem ich mich um die Kinder gekümmert hatte, wollte er auch ein paar Tipps von mir.
Welche Beschwerden hatte er?
Er klagte über Müdigkeit und fehlende Energie. Ich habe einen Termin mit ihm ausgemacht, ein paar Tests gemacht, Blut abgenommen und alles ins Labor geschickt.
Was war das Ergebnis?
Die Ergebnisse waren bis auf kleine Ausnahmen normal. Ich habe ihm daraufhin ein Fastenprogramm zusammengestellt und ihm geraten viel Rote Beete Saft und Energie Smoothies zu trinken. Zusätzlich bekam er noch intravenös ein Meyer’s Cocktail mit fünf Vitaminen.
Hat ihm die Ernährungsumstellung geholfen?
Er fühlte sich zwar rundum besser, aber er klagte ständig über Schlaflosigkeit und bat mich, eine Nacht in seinem Zimmer zu verbringen, um seine Schlafgewohnheiten zu beobachten.
Welche Schlafgewohnheiten hatte unser King of Pop?
Er schlief wirklich schlecht und nie mehr als zweieinhalb Stunden am Stück.
Was haben Sie dagegen unternommen?
Ich habe ihm das Koffein gestrichen, ihn mit Beruhigungstees versorgt und Aromatherapie mit ihm gemacht. Ich fand es auch viel zu laut in seinem Schlafzimmer. Tag und Nacht lief klassische Musik. Michael wollte das allerdings beibehalten. „Ich liebe es, mit Lärm zu schlafen“, meinte er.
Konnte er durch ihre Therapien besser schlafen?
Er hatte es zumindest geschafft, fünf Stunden am Stück zu schlafen, aber er hatte einfach keine Geduld für homöopathische Behandlungen. „Ich habe keine Lust zu warten, ich will Propofol“, meinte er, „meine Ärzte haben gesagt, dass es ungefährlich sei."
Haben Sie nachgegeben?
Nein, im Gegenteil, ich habe ihm ein Buch mitgebracht, in dem alle Nebenwirkungen inklusive Atemdepressionen, Demenz und Verlust des Erinnerungsvermögens aufgelistet waren. „Cherylin, ich werde nie meine Songtexte vergessen. Ich habe sie doch selbst geschrieben“, entgegnete er. Ich sagte zu ihm, dass er sterben würde, wenn er sich Propofol geben lassen würde, aber er wollte nicht auf mich hören. Das war das letzte Mal, dass wir Kontakt hatten.
Er hat sich also nie wieder bei Ihnen gemeldet?
Ich habe danach nur noch ein einziges Mal am Vatertag im Juni einen Anruf von seinem Sicherheitsbeamten bekommen. „Du musst sofort kommen. Michael geht es nicht gut“, sagte er ganz aufgeregt. Ich konnte Michael im Hintergrund schreien hören, „Was ist los mit mir? Eine Seite meines Körpers ist heiß, die andere kalt“, er musste große Schmerzen gehabt haben. Da ich zu diesem Zeitpunkt in Miami war, konnte ich ihm leider nicht helfen. Ich habe dem Bodyguard geraten, Michael sofort ins Krankenhaus zu bringen. Vier Tage später war er tot.
Wie haben sie die Nachricht von seinem Tod aufgenommen?
Ich wusste zuerst nicht, woran er gestorben ist, aber ich wusste, es konnte kein Herzinfarkt sein. Natürlich habe ich geweint und mir gewünscht, ich hätte ihn retten können. Eine Weile hatte ich gehofft, er würde sich meine Ratschläge zu Herzen nehmen, aber er hatte zu viele Ärzte um sich herum, die ihn beeinflusst haben.
Was denken Sie über Dr. Conrad Murray?
Ich hatte vorher noch nie von Dr.Murray gehört. Michael hatte ihn nie erwähnt. Eine Person, die in dein Haus kommt und dir eine intravenöse Injektion verabreicht, ist nicht dein Freund. So etwas ist nicht für den Hausgebrauch gedacht. Diese Menschen, die das getan haben, waren alle geldgierig. Ihnen ging es nicht um Michael Jacksons Gesundheit, nur um ihr Bankkonto. Ich war schockiert und enttäuscht.
Wie kam Michael Jackson überhaupt auf die Idee, sich Propofol verabreichen zu lassen?
Er hatte mir anvertraut, dass er schon öfter Propofol intravenös injiziert bekommen hatte. Namen hat er allerdings keine genannt.
Wie wirkt Propofol?
Propofol löst eine Art Koma aus. Man schläft zwar, aber ohne den üblichen REM-Schlaf. Es vermindert auch psychisches Trauma. Deshalb hat er es vielleicht auch genommen. Michael stand durch die Konzert-Tournee unter schwerem Druck. Er wollte wahrscheinlich damit seine Probleme vergessen und seine Ängste mindern.
Hat Sie der Autopsiebericht überrascht, in dem stand, dass Michael organisch gesund gewesen sei?
Ich habe mich darüber gefreut, denn ich hatte schon immer gesagt, dass Michael organisch gesund gewesen ist. Ich hatte mir nur Sorgen gemacht, weil ein Mitarbeiter des Coroners Office, der bei mir seine Befunde abgeholt hatte, etwas von Drogenabhängigkeit faselte.
Klingt so, als ob Sie Michael Jackson beschützen wollten.
Er war ein herzensguter Mensch und musste wegen der Klagen gegen Kindesmissbrauch so viel durchmachen. Niemand hat ihn je wirklich verstanden. Er war wirklich ein großartiger Vater. Im Leben seiner Kinder gab es eine geradlinige Struktur. Ich habe es selbst miterlebt, wie Michael immer mit ihnen gemeinsam zum Abendessen am Tisch saß, wie er sich um sie gekümmert hat und wie viel Liebe diese Kinder bekommen haben. Er wird in ihren und in unseren Herzen immer weiterleben.
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(Foto: Simone Vollmer und Charilyn Lee. )