Ich setze hiermit neu an:
Friedrichshafen
Nachschöpfungen überflügeln die Originale
Joo Kraus und das Tales in Tones-Trio spielen im Bahnhof Fischbach die Songs von Michael Jackson
Nachschöpfungen überflügeln die Originale
Selbst Michael-Jackson-Hasser werden die Versionen von Joo Kraus lieben.
Die Musik von Michael Jackson war ein Opfer der Überproduktion. Das wird klar, wenn man sich anhört, was der Trompeter Joo Kraus mit dem Tales in Tones-Trio daraus macht: Das Jazzquartett verschlankt sie so sehr, dass man teilweise erst jetzt merkt, wie gut sie eigentlich ist. Das gilt beim Konzert im Bahnhof Fischbach gerade auch für den späten Jackson, auf den man gemeinhin wenig gibt: Der „Earth song“ wird auf der sehr verhalten mit Dämpfer gespielten Trompete zu einer Elegie, die ihre Größe aus der Zurücknahme und der Bescheidenheit zieht. Der überzogenen Geste, wie Jackson das Leid der Welt zu verkörpern, erliegt Joo Kraus nicht.
Kraus sucht nach dem Herz der Stücke. Auch in der Ballade „She's out of my life“ findet er es in einer Innerlichkeit, die zu sich selbst spricht – und gerade damit alle erreicht, besonders mit seinem rührenden Sprechgesang, der zur Meditation in Sachen Einsamkeit wird. Wahrscheinlich musste das Quartett mehrmals schlucken, ehe es den Mut zu einem weiteren Kunstgriff fand: denjenigen, so manchen Uptempo-Hit von Michael Jackson zur Ballade herabzudimmen, bis eine Dancefloor-Nummer so eindringlich wirkt wie die grobkörnige Schwarzweißversion eines im Original smarten Werbeplakats.
„Beat it“ ist so ein Stück: mit dem dunkel wogenden Klavier Ralf Schmids, das eine ungewisse Weite inszeniert, mit dem fast hohl klingenden Filzklöppel-Beat Torsten Krills kommt ein fast tragisches Element ins Stück, das durch die markige Bassfigur von Markus Bodenseh aber durchgehend Zug und Spannung erhält. Es ist, als spielte Joo Kraus die Musik Michael Jacksons so, dass die seelischen Abgründe des King of Pop darin widerhallen; die Hommage eines sehr eigenständigen Künstlers, die mehr bietet als nur gute Musik. Gekonnt baut Joo Kraus Fremdeinflüsse ein: So klingt sein Horn bei „Rock with you“ als stamme die Nummer von Burt Bacharach, und „Heal the world“ wird zu einer Art „What a wonderful world“ der Gegenwart.
Es geht bei diesem Konzert aber auch richtig ab. „Don't stop 'til you get enough“ wird zur Quersumme vieler Dinge: Schlagzeuger Torsten Krill, der mit seinen meist knochentrocken harten Schlägen jeder Rockband zeigen kann wo der Bartel den Beat holt, wird zum leichthändigen Stepptänzer; unisono ruft die komplette Band den Chorus in hippem Sprechgesang und erinnert so an Joo Kraus' Rolle als Impulsgeber des Acid Jazz. Dann sind da noch Temperamentausbrüche, die dem Siedepunkt der Stimmung in einem uralten Jazzschuppen von New Orleans nahe kommen, kombiniert mit einem Klavierspiel, in dem jede Menge Gospel brennt.
Fazit: Joo Kraus hat seine neue CD „Songs from Neverland“ (Edel) erstklassig rübergebracht. Und weil eigentlich jeder die Hits von Michael Jackson kennt, hat auch jeder die Chance, die Qualität von Kraus' Nachschöpfungen voll und ganz auszuloten. Diese Scheibe sollte man haben.
Quelle
Hörproben:
EARTH SONG
BEAT IT
MAN IN THE MIRROR
BLAME IT ON THE BOOGIE
I CAN'T HELP IT
With L.O.V.E. and respect
Lg rip.michael
Kommentar