Beckers Bekenntnisse: Boulevard der geplatzten Träume
Eine Kolumne von Silke Burmester
DPA
Boris Becker erfindet sich mal wieder neu: Früher war er Tennis-Star, dann erfolgloser Geschäftsmann, danach prominenter Poker-Spieler - seit Neuestem firmiert Becker als Opfer seiner Frauen.
Wer nichts wird, wird Wirt. Was man nicht schreiben sollte, möchte man sich nicht den Zorn all jener zuziehen, die, weil sie was geworden sind, jeden Abend hinterm Tresen stehen. Aktuell zieht es diejenigen, die nichts geworden sind, auf die Wiesn, in der Hoffnung, dass es noch was wird. Wenn nicht mit dem Wirt, dann doch zumindest in der "Bunten" und der "Bild". Was immerhin die ein oder andere Autohauseröffnung nach sich ziehen mag, zu der man als "Promi" eingekauft wird. Oder vielleicht auch den Sechser im Promi-Lotto bringt, eine Reise in den Container oder ins Dschungelcamp.
Wie man sich als Prominenter, beziehungsweise als das, was wir in Deutschland dafür halten, ganz anders ins Gespräch bringen kann und dass dieser Weg weder an der Wiesn noch an der Theke vorbeiführen muss, zeigt Boris Becker. Der Mann, der als Tennisspieler erfolgreich war, beweist, dass es sich für sein Geschlecht durchaus lohnen kann, die eine oder andere Beziehung geführt zu haben. Müssen andere Männer durch Singen, Gastrollen oder Betrunkensein die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, beschreitet Boris den "Weg der Ex". Er verwandelt seinen boulevard of broken dreams, seine gescheiterten Beziehungen, in die Währung Aufmerksamkeit. Am 2. Oktober erscheint nach "Augenblick, verweile doch…" sein zweites autobiografisches Buch, das den Titel "Das Leben ist kein Spiel" trägt. Schon jetzt thront es oben auf der Bestsellerliste. Boris Becker ist kaum ein Vorwurf zu machen. Sein Werdegang nach seinen sportlichen Erfolgen ist das Ergebnis eines Missverständnisses. Zu einer Zeit, als Deutschland nach Jahren sozialdemokratischer Gefühlsduselei dank Helmut Kohl und der Schwarzwaldklinik wieder erstarkte, gewann er als 17-Jähriger Wimbledon. Und er gewann in den kommenden Jahren fast alles, was es im Tennis zu gewinnen gab. Dabei hätte er es belassen können, doch der Traum der Deutschen vom omnipotenten Helden sah keinen Tennis spielenden Brabbelbuben vor. Wer so siegt, der muss auch anderes können. Ein Geschäftsmann sein. Ein Grandseigneur. Ein Ausgebuffter. Einer aus der ersten Reihe. Doch Boris Becker blieb Boris Becker, ein Mann, der einen Ball über das Feld schlagen kann.
Ex-Frauen statt Kaninchen
Fast alles, was er geschäftlich anfasste, ging schief. Sportler-Agentur, Ökoprodukte, Sportartikel, Medienbeteiligungen. Boris als Moderator, Boris als Kommentator, Boris, der Tausendsassa. Irgendwann, so hatte man den Eindruck, wurden die Events billiger, die umstehenden Gäste schraddeliger, die Werbepartner kleiner und Boris teigig. Den Tiefpunkt dürfte die Wochenschau auf "Boris Becker TV" markiert haben, seine Sich-selbst-Vermarktungs-Website, auf der er Filme einstellte, die ihn mit seiner Frau Lilly zeigten. Meistens beim Wein, oft wohl schon angeschickert, fielen Sätze wie "Oh Leckerste, bin ich fertig!", und dann rekapitulierten die Leckerste und Bobbele in feinstem Denglisch die Events der letzten Woche und stritten und zankten über Kleiderfragen. Szenen einer Ehe, in der man nicht mehr weiß, ob man in Ischgl oder Innsbruck war, und in der die Frau die vermeintlichen Ansprüche eines Luxusweibes zum Ausdruck bringt, während der Mann sein Genervtsein nur mühsam im Zaume zu halten vermag.
Man kann, so suggerieren die verschiedenen Beiträge auf der Internetseite, in denen möglichst viele Hersteller und bekannte Menschen genannt werden, Boris Becker für alles buchen. Jede Gala, jedes Sportevent - der Mann macht alles mit. Das sollen die potentiellen Kunden wissen. Und an der Stelle, an der andere Leute, die nicht in der Versenkung verschwinden wollen, in einen Container einziehen oder ein Parfum herausbringen, kommt Boris auf die geniale Idee, seine Ex-Frauen aus dem Hut zu ziehen. Wie Kaninchen holt er eine nach der anderen hervor, und die "Bild"-Zeitung hält den Scheinwerfer drauf. Demnach hat Babs ihn geschlagen, Sandy ihn "nur ausgenutzt" und Lilly einen Grund gefunden, ihm Wodka ins Gesicht zu kippen, statt hinter die Binde.
Ja, darauf muss man erst mal kommen! Das ist nicht so billig wie die Idee, sich aus Versehen ohne Schlüpfer fotografieren zu lassen oder beim Koksen. Durch sein Buch ist er - zumindest nach seiner Logik - jetzt wieder attraktiv. Es sollte nicht wundern, wenn er bald "Bild - die Opfer-Gala" moderiert.
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