„Ich hätte Michael retten können“
Seinen „Trauerhut“ setzt er auf gar keinen Fall ab, nicht mal beim Essen. Ansonsten ist der Mann erstaunlich aufgeschlossen – immerhin ist er es gewohnt, dass alles nach seiner Pfeife tanzt: Joseph „Joe“ Jackson (81) ist auf Kurztrip in Deutschland, im Nordseebad Carolinensiel.
BILD am SONNTAG gibt er als erster Zeitung weltweit ein ausführliches Interview zum Tod seines Sohnes Michael († 50): Zwei Stunden lang spricht der Mann, der in der Öffentlichkeit das Image eines Rabenvaters und kaltherzigen Paten hat, mit leiser und heiserer Stimme über seine Gefühle.
BILD am SONNTAG: Mr. Jackson, wie geht es Ihnen drei Monate nach dem Tod Ihres Sohnes Michael?
JOSEPH JACKSON: Mein Herz weint.
In der Öffentlichkeit kommen Sie aber immer ziemlich hart rüber.
Ich erzähle Ihnen mal was: Kurz nach Michaels Tod saß die ganze Familie zusammen, und alle haben geweint wie die Schlosshunde. Nur ich nicht. Es kam keine Träne. Ich weinte auch nicht, als mein Vater starb. Ich weine innerlich. Nur wenn ich Michael singen höre, kommen Tränen.
Sie wurden heftig angegriffen, als Sie drei Tage nach Michaels Tod bei einer Awards-Show in Los Angeles auf dem roten Teppich Werbung für Ihr neues Musikprojekt machten.
Das kam völlig falsch rüber. Drei TV-Reportern hatte ich ehrlich Auskunft über meine Gefühle gegeben. Der vierte wollte wissen, was ich gerade beruflich plane, und auch darauf habe ich eine ehrliche Antwort gegeben. Leider war dies das Einzige, was gesendet wurde.
Wo und wie hat Sie die schlimme Nachricht erreicht?
Vor allen anderen. Ich war in Las Vegas, als mich einer seiner Sicherheitsleute anrief und sagte, mit Michael stimme etwas nicht. Ich fragte: Was ist los? Er meinte, Michael sei kollabiert und bewege sich nicht mehr. Da schrie ich ins Telefon: Beweg deinen Arsch und ruf den Notarzt, sofort, sofort, sofort! Wenig später kam der Anruf, dass Michael tot sei.
Und Sie sind sofort nach Los Angeles geflogen?
Nein, ich wollte Michael nicht tot sehen. Ich habe ihn mir auch später im Sarg nicht angesehen, obwohl ihn Randy und Janet schön hergerichtet haben, angezogen und geschminkt. Ich wollte ihn lebend in Erinnerung behalten – tanzend und singend. Ich kann und will Menschen, die ich kannte und mochte, nicht im Sarg liegen sehen. Das war auch bei meinem Vater so.
Was ist die zärtlichste Erinnerung an Ihren Sohn?
In den späten Sechzigern, als die „Jackson 5“ gerade dabei waren, zur größten Attraktion im amerikanischen Showbiz zu werden, stellte eine Zeitung die Mutmaßung auf, Michael sei nicht 9 Jahre alt, sondern in Wirklichkeit ein 42-jähriger Zwerg. Das ging ihm sehr nah und er weinte bitterlich. Da ging ich vor ihm auf die Knie und sagte: Schau, ich bin der 42-jährige Zwerg. Da fiel er mir um den Hals, und sein Weinen ging in Lachen über.
Ich weiß! Er behauptete ja, er habe überhaupt keine Kindheit gehabt. Das stimmt aber nicht. Wahr ist, dass ich meine Kinder nicht mit den Kindern aus der Nachbarschaft spielen ließ. Denn es war keine gute Nachbarschaft, in der wir wohnten. Aus den Kindern von damals sind Drogenabhängige geworden oder sie landeten im Gefängnis. Davor habe ich meine Kinder schützen wollen. Michael hatte acht Geschwister, mit denen er spielen konnte. Sie sind herumgetollt, haben Basketball gespielt. Und jetzt erzähle ich Ihnen noch eine Geschichte . . .
Wir sind gespannt. . .
Wir hatten eine Zeit lang einen Pitbull, und der riss eines Tages aus seinem Zwinger aus. Michael, er war damals so 6 Jahre alt, und sein 2 Jahre jüngerer Bruder Randy spielten vor dem Haus, und der Hund rannte direkt auf sie zu. Michael war mit einem Sprung auf dem Autodach, Randy wurde in die Achillessehne gebissen, mit der er bis heute Probleme hat. Spätestens da war klar: So wie Michael bewegt sich kein Zweiter.
Michael war von klein auf der talentierteste der Brüder?
Jermaine hat wunderbar gesungen, aber Michael war phänomenal: Jede Melodie, die er hörte, konnte er sofort perfekt nachsingen, jeden Tanzschritt, den er sah, hatte er umgehend drauf. Stellen Sie sich vor: Er steppte, und er versuchte es nicht nur – er konnte es! Und zwar, nachdem er nur einmal Fred Astaire im Fernsehen steppen sah.
Michael klagte immer wieder, Sie hätten ihn, aber auch die anderen, zum Erfolg geprügelt.
Ich habe die Jungs hart rangenommen, das stimmt, versprach ihnen aber auch: Ich mache aus euch die größten Stars der Welt. Das war der Plan. Und sie waren einverstanden. Ich habe ihnen mal eine gewischt, aber nicht ständig. Wie hätte ich das tun sollen? Ich war ja kaum zu Hause. Ich hatte zwei Jobs, um das Geld für ihre Instrumente zusammenzukriegen und darüber hinaus eine elfköpfige Familie zu ernähren. Ich habe niemanden misshandelt, darauf bestehe ich. Es war eben damals so, dass es eine Ohrfeige setzte, wenn ein Kind nicht spurte – auch die Lehrer in der Schule machten das. Heute sind die Erziehungsmethoden anders, und ich würde es auch anders machen.
Dennoch scheint sich das Verhältnis zwischen Michael und Ihnen nie richtig erholt zu haben.
Es war eben schwierig, denn ich war zwar sein Vater, aber auch sein Manager. Da ist es schwer, die Trennlinie zu ziehen. Wissen Sie, wir waren Schwarze in einem von Weißen dominierten Business. Ich wusste, Michael konnte größer werden als Elvis Presley, aber die Weißen würden das niemals zulassen. Ich musste den Jungen durch ein Haifischbecken leiten. Und wenn Sie mich fragen: Er wurde größer als Elvis.
Erinnern Sie sich an das letzte Vater-Sohn-Gespräch?
Auch Business. Es war ein paar Wochen vor seinem Tod. Michael hatte festgestellt, dass man ihn für seine Konzerte in London in Dollar bezahlen würde – und nicht in Pfund oder Euro. Ich meinte: Das kann nicht sein, die müssen dich in der Landeswährung bezahlen! Ich kümmere mich darum. Also ging ich zu den AEG-Leuten (die Konzertagentur AEG war Michaels Vertragspartner für die „This-is-it“-Konzertreihe in London, Red.). Die meinten, ich solle mich nicht aufregen, wer wisse, ob der Dollar nicht höher stehe als das Pfund oder der Euro, wenn Michael seine Shows absolviert. Gut, sagte ich, machen wir es so: Michael wird in der Währung bezahlt, die am Tag des letzten Konzerts den höchsten Wert hat. Das haben sie geschluckt.
Hätte Michael die fünfzig Konzerte denn durchgestanden?
Wo denken Sie hin? Höchstens zehn! Und jetzt verrate ich Ihnen etwas: Er hätte auch nur zehn Konzerte gegeben. Das war beschlossene Sache. Er hat mir erzählt, er habe totalen Horror vor den Londoner Shows, der Druck mache ihn fertig, er sei da reingeritten worden. Und mehr als zehn Auftritte wolle und könne er nicht schaffen.
Wussten Sie denn von seiner Medikamentenabhängigkeit?
Ich wusste, dass er starke Schmerztabletten nahm. Die nahm er schon lange – seit dem Unfall vor 25 Jahren, als er beim Dreh eines Werbespots so schwere Verbrennungen erlitten hatte. Dass er sich auch richtig harte Sachen spritzen ließ, ahnte ich bloß.
Wie kamen Sie darauf?
Prince, sein ältester Sohn, erzählte mir am Telefon, dass Michael in beiden Ellenbogenkehlen Einstiche habe.
Warum haben Sie Michael nicht selbst darauf angesprochen und versucht, Schlimmeres zu verhindern?
Ich habe es ja versucht. Aber in den letzten Wochen vor seinem Tod hat man mich nicht mehr zu ihm gelassen. Ich stand vor seinem Haus, und die Security (des Konzertveranstalters, Red.) versperrte mir den Weg. Ich verständigte sogar die Polizei. Ich tat alles. Ich war schon soweit, dass ich dachte: Ich geh jetzt nach Hause, hol meine Knarren und schieß mir den Weg zu Michael frei. Ich sagte zu meiner Frau: Katherine, wir müssen den Jungen da rausholen oder er ist in einer Woche tot. Eine Woche später war er tot.
Sie meinen, Sie hätten ihn retten können?
Mein Gott, ja.
Das treibt Sie um?
Was mich umtreibt, ist, dass so ein grundguter Mensch wie Michael ausgenutzt und zugrunde gerichtet wurde von Leuten, denen er vertraute und die er mit Geschenken überhäufte.
Gibt es etwas, was Sie ihm hätten sagen wollen und jetzt nicht mehr können?
Tritt ihnen in den Arsch und merk dir ihre Namen!
*Für den letzten Satz ist er mir sogar richtig symphatisch*
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