Deepak Chopra: Mein Freund Michael Jackson
Am 7. Juli fand in Los Angeles die berührende Trauerfeier für Michael Jackson statt. Auch der spirituelle Lehrer Deepak Chopra trauert um seinen engen Freund. Lesen Sie, warum Deepak Chopra den Popstar so schätzte und versuchte ihn zu beschützen
„Michael Jackson wird wohl als zerbrochene Ikone in Erinnerung bleiben, ein Pop-Genie, der als Mutant des Ruhmes sein Ende fand. So werde ich über ihn allerdings nicht denken. Mit dem Rätselhaften und Überschwänglichen in ihm, dem schier erdrückenden Weltruhm, seiner Isolation und Einsamkeit war ich eng vertraut. Seit 20 Jahren beobachte ich jede dieser Facetten und so leicht es war, Michael zu mögen und ihn beschützen zu wollen, schien sein plötzlicher Tod gestern nahezu vom Schicksal bestimmt.
Zwei Tage vorher rief er mich guten Mutes und ganz aufgeregt an. Auf dem Anrufbeantworter sagte er: „Ich habe wirklich gute Nachrichten, die ich dir mitteilen möchte.“ Er hatte ein Lied über die Umwelt geschrieben und wollte, dass ich ihm unverbindlich mit dem Text helfe, wie wir es zuvor schon mehrmals getan hatten. Als ich jedoch zurückrief, hieß es „kein Anschluss unter dieser Nummer“. Unkurierbar verschreckt von der Art und Weise, wie die Presse mit ihm umgegangen ist, änderte er häufig seine Telefonnummer. Ich konnte ihn daher nie mehr erreichen und die Musikdemo, die er mir schickte, liegt auf meinem Nachttisch als bitteres Symbol eines nicht zu Ende gebrachten Lebens.
Als wir uns 1988 kennen lernten, war ich von der Mischung aus Charisma und Verletztheit, die ihn umgab, sofort beeindruckt. Er konnte von Scharen von Menschen am Flughafen umschwärmt werden, ein dreistündiges, erschöpfendes Konzert geben und danach, wie in der einen Nacht in Bukarest, als ich dazukam, hinter der Bühne sitzen, Wasser aus einer Plastikflasche trinken, einen Blick auf ein Sufi Gedicht werfen und den Wunsch haben, zu meditieren.
Dieser Mensch, den ich, auf die Gefahr hin, mich der Lächerlichkeit Preis zu geben, für sehr rein hielt, überlebte immer noch. Als wir uns vor zwei Wochen das letzte Mal unterhielten, las er gerade die Gedichte von Rabindranath Tagore. Michael verkörperte beispielhaft diesen Widerspruch vieler berühmter Künstler, die im Grunde genommen schüchtern und introvertiert sind. Wenn er mich zuhause besuchte, verbrachte er den Großteil des Abends für sich in einer Ecke mit seinen kleinen Kindern. Wenn er mit ihnen zusammen war, sah ich immer nur einen liebevollen Vater. Wie jeder andere, der ihm nahe stand, fragen wir uns natürlich, was jetzt nach diesem Schicksalsschlag aus ihnen wird.
Michaels Abneigung gegen das Erwachsenwerden, war ein anderer Teil dieses Widerspruchs. Meine Kinder verehrten ihn, und er reagierte auf kindliche Weise darauf. Wie andere Kinderstars fühlte auch er sich seiner Kindheit beraubt. Verglichen mit dem schrecklich übertriebenen Stellenwert, den unsere Gesellschaft Berühmtheit beimisst und mit der sie Michael uneingeschränkt überschüttete, war die Öffentlichkeit seinem persönlichen Schmerz gegenüber herzlos.
Dieser Schmerz wurde zum geschmacklosen Wesenszug des Boulevard-*****s, der als sonderbarer „Changeling“1 und noch weit aus düsterer porträtiert wurde.
Es steht mir nicht zu, über die Probleme zu urteilen, die Michael aus seiner Vergangenheit geerbt hat und die sich dann durch seinen fehlgeleiteten Lebensstil verschlimmerten. Er war von Menschen umgeben, die diesen Lebensstil zuließen und ermöglichten, einschließlich einer beschämenden Anzahl an Medizinern in Los Angeles und anderswo, die ihn mit Arzneien versorgten. Auch wenn er oft ehrlich zugab, dass er Probleme hatte, wich er am Ende eines Gesprächs immer verdrängend aus. Während ich diesen Aufsatz schreibe, werden Berichte über Drogenmissbrauch in den Cable News Channels verbreitet. Sobald ich von seinem Tod heute Nachmittag hörte, hatte ich dieses unwohle Gefühl, dass verschriebene Medikamente dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Am nahesten kamen wir uns vielleicht, als Michael ein Buch brauchte, das er vor allem als Konzertsouvenir verkaufen wollte. Es sollte Bilder für seine Fans und einen Text aus kurzen Fabeln enthalten. Wir saßen stundenlang zusammen, während er träumerisch Aesop-ähnliche Geschichten über Tiere erfand, vermischt mit Worten über Musik und seiner Liebe für alles, was mit Musik zu tun hatte. Als Freundschaftsdienst half ich ihm, den Text zusammenzustellen. Aus diesem Projekt wurde „Dancing the Dream“. In dieser gemeinsamen Zeit wurde mir klar, warum er auf seine Art lebte: Um die Stresslawine, die Mega-Ruhm mit sich bringt, zu bewältigen, schuf er sich eine private Zuflucht in eine Fantasiewelt, in der rosa Wolken seinen inneren Schmerz zudeckten und Peter Pan ein Held und keine pathologische Störung war.
Auch wenn er keine Mühen scheute, diese Scheinwelt aufrecht zu erhalten, wurde diese allmählich unerträglich. Uneingeschränkte Privilegien waren ein weiteres starkes Gift, das ihm zum Verhängnis wurde. Seine Exzentrik, Schüchternheit und Verletzlichkeit nahmen durch einen Gesundheitswahn, Sicherheitsparanoia und eine immer ungesünder werdende Isolation verheerende Ausmaße an. Als Michael mir die Musik für dieses letzte Lied übermittelte, welches auf meinem Nachttisch liegt und auf die richtigen Worte wartet, kam das Prozedere, die CD zu mir zu schaffen, an Verschwiegenheit einem Geheimeinsatz des CIA gleich.
Meine Erinnerung an Michael Jackson wird so vielschichtig und verworren sein, wie die jedes anderen. Seine engsten Freunde werden zusammenrücken und alles in ihrer Macht stehende tun, damit das Gute in ihm weiterlebt. Wer weiß, ob es uns gelingen wird, ihn nach so vielen Jahren der Medienverfälschung zu retten. An seiner Stelle wollte ich hier nur auf ein paar Dinge hinweisen. Als Siebzehnjähriger begleitete mein Sohn Gotham Michael als Roadie auf seiner „Dangerous“ Tournee. Ist es von Bedeutung, dass Michael sich meinem Sohn gegenüber immer verantwortungsvoll und zuvorkommend verhielt? Mir läuft ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke, was er zu Gotham damals sagte: „Ich will nicht so gehen wie Marlon Brando. Ich will so gehen wie Elvis.“ Beide Ikonen waren für ihn Kultfiguren.
Das Kindermädchen und die Ersatzmutter seiner Kinder, Grace Rwaramba, ist wie eine Tochter für mich. Ich stellte die mittlerweile Erwachsene Grace Michael damals vor, als sie ein hübsches und herzliches, achtzehnjähriges Mädchen aus Ruanda war. Sie passte für mich auf ihn auf und rief mich an, wenn er deprimiert war oder dem Abgrund zu nahe kam. Es bricht Grace das Herz, dass kein noch so großer Beschützerinstinkt und ehrliche Fürsorge diesen tragischen Tag verhindern konnten. Vor einer Stunde rief sie von London aus weinend an. Gerade deshalb konnte ich nicht umhin, die Trauer kurz in Worte zu fassen. Sobald der Schock sich gelegt hat und tausend öffentliche Stimmen von Michaels großartigem, freudigem, umkämpftem, rätselhaftem und bizarrem Leben schreiben, ist es meine Hoffnung, dass „freudig“ das Wort ist, das aus der Asche entsteht und so erstrahlt, wie er es einst tat.“
1 Anmerkung des Übersetzers: Ein Changeling kann ein Formwandler oder wankelmütiger Mensch sein aber auch ein untergeschobenes oder verwechseltes Kind. In der Märchenwelt ist es ein Elfenkind, das mit einem Menschenkind absichtlich vertauscht wurde, ein „Wechselbalg“.
(Textabdruck mit freundlicher Genehmigung von www.intent.com . Aus dem Amerikanischen übersetzt von Dr. Joachim Schneider, ein von Deepak Chopra zertifizierter Meditationslehrer www.sanft-und-muehelos.de . Dr. Schneider veröffentlicht eine monatlich erscheinende deutsche Version des Chopra Center Newsletter)
Foto: Alexander Aisenstadt/fotolia. Grafik: KGS Hamburg
Quelle: http://kgs-hamburg.de/CMS/index.php?uid=53&id=52
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