Meine Gedanken zu beiden Auftritten
Thriller war gerade einmal 4 Monate alt, und doch sprach die ganze Welt nur von diesem jungen schwarzen Burschen, der die Musikwelt in seinen Grundmauern erschütterte, um sie nach seinem Bilde wieder neu aufzubauen. Seine revolutionären Musikvideos zu Beat It und Billie Jean laufen bei MTV rauf und runter, doch was fehlte, war ein Liveauftritt. Da kam die Motown Show gerade recht (auch wenn Michael, wie wir alle wissen, dies zunächst nicht sah). Schon der gemeinsame und sehr melancholische Auftritt mit seinen Brüdern offenbarte einen Michael Jackson, der einen guten Schuh tanzen konnte. Doch die Sensation kam erst danach. Dieser Auftritt katapultierte den 24jährigen Michael in Phsären, von denen er zuvor zwar nur geträumt, an die er jedoch immer geglaubt hatte.
Als die ersten Takte von Billie Jean erklingen, ist das Publikum schon auf Michaels Seite. Die ganze Show, die er hinlegte, kann man mit einem Wort beschreiben: Neu. Die Art und Weise, wie er die Takte der Musik in seinen Tanzstil einfließen lässt, der pure Sex, den er mit seinen Bewegungen ausstrahlte und die damit einhergende Aggressivität kannte man bis dahin nicht. Der Höhepunkt, zweifelsohne, der Moonwalk. Als er die ersten zaghaften Meter dieses Tanzes zeigt, ertönt ein Aufschrei aus dem Publikum, der jedoch abrupt verstummte. Es scheint, als könne man nicht glauben, was sich auf der Bühne gerade abspielt.
Am Ende dieses Auftritts ballt er seine Hand zu einer Faust, streckt sie in die Höh', schließt die Augen und lässt sich von der Menge feiern. Es war ein Triumph auf ganzer Linie. Der erste Billie Jean Auftritt offenbarte eine ganz neuartige Form des Tanzens. Er betrat die Bühne, zusammen mit seinen Brüdern, als little Michael from the Jackson 5, er verließ sie, als Michael Jackson the King of Pop. Dieser Auftritt war seiner Zeit voraus.
Und doch, muss man sagen, war diese Performance nicht perfekt. Man merkt zwar, dass er sie geprobt hatte, doch im Vergleich zu späteren Auftritten sieht man, dass die Routine fehlte. Die ausgeklügelte Perfektion, die ihn später auf seinen Welttourneen begleitete war einfach noch nicht vorhanden. Seine "Landung" nach den Drehungen, die dem Moonwalk folgten, war fehlerhaft, was ihm persönlich auch schwer zu schaffen machte; er war eben schon immer ein Perfektionist gewesen. Und doch: Diese Performance darf in keiner Michael Rückschau fehlen, denn er leitete den Start einer Bühnenkarriere ein, die Seinesgleichen sucht.
Die Vorzeichen zu diesem Auftritt waren, natürlich, ganz andere im Vergleich zur Motown Performance. Die Welt kannte seinen Genius. Seine Nachfolgealben BAD, Dangerous sowie HIStory wurden von der Kritik zwar zerrissen, hatten sich jedoch millionenfach verkauft und dutzende Rekorde gebrochen. Mit seinen Welttourneen zog er nicht nur Könige und Prinzessinen, sondern jeden Menschen in ihren Bann, der sie besuchte oder im Fernseher ansah. Seine Musikvideos wurden jedes mal mit großer Spannung erwartet, und er enttäuschte seine Fans nie. Doch schon Mitte der 80er Jahre fingen die Gerüchte um ihn an. Ein Schrein für Liz Taylor? Der Erwerb der Knochen des Elefantenmannes? Die Verleugnung der eigenen Hautfarbe sowie der eigenen Rasse? Dies waren nur Vorboten zu einem Skandal und dem einhergehenden Rufmord, der jeden Fan heute noch die Tränen in die Augen steigen lässt. Wir wissen alle, was ich meine, weswegen ich es nicht noch extra erwähnen muss. In den Augen der Welt war Michael ein gebrochener Mann. Ein Freak, der nur noch durch skurrile Auftritte und unzählige Skandale auffällig wurde. Seine Musik, seine Leidenschaft für die Bühne und seine humanitäre Arbeit fielen dabei in den Hintergrund. Es war einfach nicht mehr cool, sich Michael Jackson Fan zu schimpfen. Die Welt wollte ihn nicht, und es schien so, als hätte er sich damit abgefunden. Doch weit gefehlt:
Er ließ sich feiern, indem er sein 30jähriges Bühnenjubiläum in NewYork, seiner Lieblingsstadt, abhielt. Und jeder wollte dabei sein. Es bestätigte sich, dass Michael im Kreise seiner Kollegen noch immer einen, wenn nicht den größten, Stellenwert besaß. Die aktuellen Stars der Musikbranche gaben sich gegenseitig die Klinke in die Hand. Das Highlight der Veranstaltung, mal abgesehen vom sexy Outfit der Spears, war natürlich Billie Jean.
Sein Äußeres hatte sich seit dem Motown Auftritt verändert. Die Nase war schmaler, seine Haut war heller und sein Kinn trug ein Grübchen. Er sah einfach nicht gut aus. Doch als die ersten Takte von Billie Jean erklingen, ist all das nur Nebensache.
Es war eine einzige Hommage an sich selbst. Eine Zelebrierung seines erfolgreichsten Songs. Ein Tritt in die Fresse all Jener, die seinen baldigen Untergang prophezeiten. Er konnte es noch immer, und wie! Der Auftritt unterschied sich in seinem Ablauf nicht von den Performances, die man bereits von ihm kannte. Doch sieht man es in Relation zum Motown Auftritt, springt einem die Perfektion geradezu ins Gesicht. Die langsamen Schritte zu seinem Koffer; das zum Vorscheinbringen des Handschuhs und des Hutes entfachte im Publikum eine Jubelarie nach der anderen. Jeder im Saal wusste, was passieren wird. Jeder im Saal wusste, wie er sich bewegen würde. Und doch trieb es nicht wenigen Menschen Tränen des Glücks in die Augen. Auch wenn man sich bei Michael um vieles Gedanken machen musste, auf eines war Verlass: Seine Genialität auf der Bühne.
Ich habe diese beiden Billie Jean Auftritte ausgewählt, weil sie beide etwas besonderes sind: Es ist jeweils die erste sowie die letzte Live-Performance, die Michael zu diesem Song gab. Die Unterschiede sind schon sehr krass. Zum einen der Motown Auftritt, der einfach so legendär ist, so neuartig und so revolutionär war, dass ich mir seine Genialität garnicht bewusst werden kann. Zum anderen der MSG Auftritt, der in seiner Perfektion und seinem Spektakel einfach den Showmenschen Michael Jackson zeigt. Der in seiner Perfektion in dieser Form einzigartig ist und bleibt.
Jetzt stellt euch vor, ihr müsstet einen dieser beiden Auftritte auf eine Insel mitnehmen, für welchen würdet ihr euch entscheiden?
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