Aus unserem Sammelalbum: Michael hautnah
In einer traumhaften Hotelsuite in Südkorea fanden wir einen sanften, liebenswürdigen Gastgeber
von Kevin Sullivan
Washington Post Auslands-Ressort
Sonntag, 28. Juni 2009
Zwei Dutzend Menschen, größtenteils Japanerinnen in den Zwanzigern, standen in der Vorhalle des Shilla-Hotels in Seoul, und sie alle waren wie Michael Jackson gekleidet - der schwarze Fedora, der Sgt. Pepper-Mantel mit den ganzen unechten militärischen Zierat und die Ray-Ban.
Dann erschien Jackson selbst, und die verkleideten Damen fingen an wie verrückt zu schreien: Michael! Michael! Michael!
Es war Februar 1998, und der King of Pop war in der Stadt, um der Amtseinführung von Präsident Kim Dae-jung beizuwohnen. Es war mir nie so wirklich klar, wie es zustande kam, daß einer der größten Kämpfer des Jahrhunderts für die Demokratie, der koreanische Mandela, mit dem exzentrischen amerikanischen Popstar befreundet war. Aber da war Jackson, hin und wieder winkend, eingekeilt inmitten eines Pulks von riesigen Leibwächtern, die schnell die proppenvolle Vorhalle durchquerten. Er eilte an den Leuten, die alle genauso wie er gekleidet waren, vorbei wie durch ein Spiegel-Labyrinth, und stieg in einen Mini-Van, der dicht vor dem Haupteingang wartete.
Ich folgte ihm zusammen mit meiner Frau und Kollegin, Post-Korrespondentin Mary Jordan, und genoß das Spektakel. Wir waren dort, um über die Amtseinführung zu berichten; und wir hatten unsere zweijährige Tochter Kate mitgebracht, statt sie zuhause in Tokio bei einem Babysitter zu lassen.
Plötzlich fuhr das getönte vordere Seitenfenster des Vans nach unten, und ein bekanntes Gesicht rief meinen Namen. Es war ein Helfer von Kim, den ich kannte.
"Was machst du hier?" fragte ich ihn.
"Ich bin für ihn verantwortlich" sagte er und deutete mit dem Daumen nach hinten.
Wir fragten, ob wir Jackson vielleicht treffen könnten, und unser Freund wies uns an, später zur Präsidenten-Suite im obersten Stockwerk zu kommen.
"Michael ist glücklich, euch zu treffen. Wartet hier" sagte er, als wir ankamen, und stieß die großen Türen der Suite auf, wo schon zahllose Staatsoberhäupter zu Gast gewesen waren.
Wir traten in den Hauptraum ein, der einem eine Art Versailles-Gefühl vermittelte: viele weiße und vergoldete Armsessel, unglaublich hohe Decken, ein reich verzierter Kamin und Kaminsims. Und überall - Spielsachen. Jede Menge Teddybären und Enten und Häschen in süßen Pastellfarben saßen und lagen auf jedem freien Platz im Raum.
Es gab Playscool-Schlösser mit kleinen Treppen und Schienen, Luftballons lagen auf dem Boden und schwebten unter der Decke, wie bei der Geburtstagsparty eines Vierjährigen. Michael war damals 39 Jahre alt und hatte einen einjährigen Sohn; doch der King of Pop schien allein in Seoul zu sein.
Hatte Michael diese Peter Pan-Szenerie angeordnet? Seine Angestellten? Gab es eine schrullige Klausel in seinem Vertrag? Oder war das die Vorstellung des Hotelpersonals von einer Willkommens-Geste für Michael Jackson, anstelle eines Früchtekorbs und einem Paar Shilla-Hausschuhen?
Wir fanden es nie heraus. Aber genau in diesem Moment entschied Kate, daß Korea ziemlich cool war. Sie entdeckte einen kleinen weißen schlappohrigen Hund und hob ihn auf.
Wir warteten ungefähr 15 Minuten, allein in der *****sphäre. Dann öffnete sich eine Seitentür, und Michael war da, komplett schwarz gekleidet, in diesem Sgt. Pepper-Jackett. Die Schulterpartie war mit Epauletten besetzt, und drei goldene Streifen und ein Golddiamant verzierten jedem Ärmel. Sein weißes Shirt hatte fast dieselbe Farbe wie sein Gesicht, das teilweise hinter seiner Sonnenbrille verborgen war. Lange schwarze Locken kringelten sich unter seinem schwarzen Hut hervor. Er war größer als ich mir vorgestellt hatte, vielleicht 1,78-1,80 m, und dünn wie ein Stuhlbein.
"Hi" sagte er mit einer weichen, hohen Stimme. "Können wir bitte vom Fenster weggehen? Das Sonnenlicht ist zu stark für mich."
Okay.
Wir gingen auf Michael zu und standen neben dem riesigen vergoldeten Kamin, wo ein ausgestopfter Panda saß und auf eine Umarmung zu warten schien.
Wir stellten uns vor. Ich schüttelte eine schmale Hand, die sich anfühlte, als könne man sie wie einen kleinen Zweig zerbrechen.
"Das ist Kate" stellte ich das sehr, sehr misstrauische kleine Mädchen auf meinem Arm vor. "Kate kannst du hi zu Michael sagen?"
Kate drückte den schlappohrigen Hund an sich. Sie sagte garnichts.
"Hi, Kate" sagte Michael mit dieser berühmten hauchenden Stimme und schenkte ihr ein breites Popstar-Lächeln. "Wie geht es dir?"
Michael Jackson war total süß und reizend zu Kate, aber von ihr kam nichts zurück. Er war herzlich und einnehmend und schien ehrlich erfreut, sie zu treffen. Er war sehr freundlich zu uns, wenn auch ein wenig unbeholfen; aber als er sich bemühte, Kate ein Lächeln abzuschmeicheln, war er bezaubernd.
Trotz all der Unterstellungen, seltsame Dinge mit Kindern zu tun, machte es uns nicht im Geringsten nervös, ihn dort mit unserer Kleinen zu sehen. Aber eins war auffallend. Seine Hände verließen niemals seine Seite, während er mit ihr sprach. Nicht ein einziges Mal streckte er sie aus, um auch nur ihre Hand oder ihre Wange zu berühren, wie es viele Leute tun. Er sprach mit ihr, aber immer hielt er einen halben Meter Abstand zwischen sich selbst und unserer Tochter ein. Wir nahmen an, daß ihm das von seinen Rechtsanwälten geraten worden war. Schließlich war er mit einem Kind in einem Raum, ohne Zeugen außer den Eltern des Kindes. Er konnte nicht wissen, ob wir nicht behaupten würden: "Michael hat es wieder getan!", um ihn zu einem außergerichtlichen Vergleich zu nötigen.
Wir fragten ihn, aus welchem Grund er in Seoul war. Er lobte Kim Dae-jung´s Engagement für Kinder, und er erzählte, daß er über ein Konzert zugunsten von hungernden Kindern in Nordkorea und auf der ganzen Welt nachdachte (Jackson gab im Juni 1999 wirklich zwei riesige Konzerte - eines in Seoul und eines in München - die mehrere Millionen Dollar für Kinder-Wohltätigkeitsverbände einbrachten).
Er fragte uns dann, warum wir in Seoul waren. Wir sagten ihm, wir seien Journalisten der Washington Post.
"Oh, das ist nett" sagte er, ohne zusammenzuzucken oder merklich entsetzt zu sein, daß Reporter ihn inmitten von Teddybären überrascht hatten.
Während wir plauderten, stand ich neben Michael, und das ermöglichte mir einen deutlichen Blick auf das Gesicht hinter der Sonnenbrille. Was mich betroffen machte, war sein Nasenrücken, wo eine Art Vertiefung erkennbar war, in die mein kleiner Finger gepasst hätte. Wir wußten, er hatte eine lange Vorgeschichte, was Hauterkrankungen und plastische Chirurgie betraf. Doch aus der Nähe sah es aus, als hätte etwas ein Loch in sein Gesicht geknabbert.
Wir sprachen gute 30 Minuten mit ihm, und er machte nie den Eindruck, daß er irgendwo anders hin mußte. Sehr charmant beschäftigte er sich weiter mit Kate, die sich schließlich ein wenig erwärmte. Aber die meiste Zeit klammerte sie sich an meine Schulter und schaute Michael an, als ob er ein Außerirdischer wäre, der auf die Erde gekommen war, um ihre Schmusedecke zu klauen.
Wir mochten Michael Jackson. Er schien wirklich wie ein Bewohner eines geringfügig anderen Universums. Seine Präsenz auf der Bühne war so überragend, und persönlich war er so zart und zögerlich wie ein Kind, das sich nicht ganz sicher ist, wie man mit Erwachsenen umgeht.
Damals schien es traurig, nun ist es tragisch.
Quelle: washingtonpost.com
Michael Jackson-Benefizkonzert in Seoul
17. Februar 1998|Tribune News Services
SEOUL - Michael Jackson plant, noch in diesem Jahr ein Wohltätigkeits-Konzert in Seoul zu geben, um den hungernden nordkoreanischen Kindern zu helfen. Der vorläufige Name ist We Are The World 2; es wird am 10. Oktober ('98) im Olympiastadion stattfinden und live übertragen, sagte ein Helfer des gewählten Präsidenten Kim Dae-jung am Montag. Unter Anderem wurden Whitney Houston, Celine Dion, Michael Jordan und Tiger-Woods eingeladen, sagte Choi.
Quelle: chicagotribune.com
Überaetzungen: Pearl
-->> Letztlich fand wegen politischer Probleme das Korea-Konzert erst am 25. Juni 1999 statt (das Konzert in München am 27. Juni 1999)
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