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Ghosts - Eine versuchte Analyse

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    Die Geheimnisse von Ghosts


    Zum Auftakt unserer Artikelserie über Ghosts gehen wir auf die Veränderungen ein, die zwischen dem Kinostart im Oktober 1996 und der Präsentation des Films beim Festival in Cannes 1997 an dem Film vorgenommen worden sind.
    Die erste öffentliche Vorführung von Ghosts fand am 24.Oktober 1996 statt. An diesem Tag hatte MJJ Productions eine "VIP"-Projektion des Films an der Filmakademie von Beverly Hills organisiert.
    Ghosts sollte danach als Vorfilm von Thinner in ca. 12 Kinosälen in den USA gezeigt werden. Diese für Halloween organisierten Vorstellungen sollten genau eine Woche, vom 25. bis zum 31. Oktober 1996, dauern. *
    Die Originalversion von Ghosts, die nur wenige Amerikaner zu Gesicht bekamen, unterscheidet sich grundlegend von der endgültigen Version. Stan Winston und Michael Jackson haben zusätzliche Veränderungen an der Originalfassung vorgenommen.
    Black & White geht an dieser Stelle in allen Einzelheiten auf die Änderungen ein, die zur aktuellen Ghosts-Version geführt haben.
    Analyse ...

    FARBEN

    Die Farbgebung der Originalausgabe von Ghosts unterscheidet sich grundsätzlich von der Zweitauflage. Die Bilder der ersten Version haben alle eine sehr starke Blaufärbung; diese wurde in der Endversion des Films stark abgeschwächt.

    SPEZIALEFFEKTE

    Die Verwandlung des Bürgermeisters (der sich beim Anblick seines Ebenbildes in einem Spiegel in ein Monster verwandelt) ist in jeder Ghosts-Version anders gestaltet. In der Originalversion deformiert sich der Bürgermeister langsamer als in der Endversion. Die endgültige Fassung ist dennoch gruseliger, das Gesicht des Bürgermeisters wird zur grauenhaften Fratze und zermürbende Schreie wurden auf dem Soundtrack hinzugefügt.

    DIE MUSIK

    Um Michael Jacksons aktuellem Musikstil gerecht zu werden, gab es auf dem Soundtrack zwei grundlegende Veränderungen. Zwei Titel von Blood On The Dance Floor – HIStory In The Mix, die bei der Originalversion nicht zum Zuge kamen, ersetzten den Remix von 2 Bad, bis dato Hintergrundmusik aller Tanzszenen.
    Ghosts enthält drei Tanzfolgen. Die erste wurde nicht verändert. Michael singt und tanzt zu 2 Bad. Bei der zweiten tanzt das Skelett zu Is It Scary und nicht mehr zu dem Remix von 2 Bad. Die dritte wurde ebenfalls stark umgewandelt, der Bürgermeister tanzt nunmehr zu Ghosts und nicht mehr zu der Remixversion von 2 Bad. Es liegt auf der Hand, daß diese Änderungen positive Auswirkungen auf die Promo von Blood On The Dance Floor – HIStory In The Mix hatten. Glücklicherweise hat der neue Soundtrack dem Film nicht geschadet, was gut hätte sein können, da die Tanzszenen ursprünglich zur Musik von 2 Bad geschrieben worden waren. Michael hätte sicherlich nicht auf die gleiche Art und Weise getanzt (und seine Choreographie anders gestaltet), wenn die Songauswahl von Anfang an anders ausgefallen wäre. Auf alle Fälle mußte man Is It Scary verlangsamen, um den Song in die endgültige Bildmontage zu integrieren, da der Rhythmus dieses Titels nicht mit dem von 2 Bad übereinstimmte und das Skelett nicht mit der gleichen Geschwindigkeit tanzen konnte.

    * Die Originalversion von Ghosts wurde auch in einigen Kinosälen in Japan und Australien während der HIStory Tour 1996 gezeigt.


    Im Gegensatz zu Michaels bisherigen Kurzfilmen basiert das Drehbuch von Ghosts auf autobiographischen Elementen. Die Bedeutung des Films liegt in dieser Tatsache. Weder Zuschauer noch Kritik haben jedoch die wirkliche Dimension des Films erfasst.
    Genauer betrachtet muß man sogar feststellen, dass Ghosts mehr als jedes Interview über Michael Jackson aussagt. Es reicht, die Dialoge des Films aufmerksam zu verfolgen, um zu interessanten Schlüssen zu gelangen. Stephen King-Co-Autor des Drehbuchs, hat nichts zur außergewöhnlichen autobiographischen Dimension des Films beigetragen. Dazu wäre er kaum in der Lage gewesen. Michael Jackson hat dem Film durch viele kleine Änderungen den letzten Schliff verliehen.

    DER ZYNISMUS IN GHOSTS

    Wenn man das Drehbuch von Ghosts näher unter die Lupe nimmt, erkennt der aufmerksame Zuschauer den einfallsreichen Plan, der hinter dem Film steckt. Es scheint mehr als deutlich, da die Gegenüberstellung des Maestro und des Bürgermeisters Michaels (angeblich) ambivalente Sexualität widerspiegelt. Da ein derartiges Thema nicht offen angesprochen werden kann, hat Michael dem Film einen zynischen Unterton verliehen. Als der Maestro erklärt: "Don´t you kids enjoy when I do my little … you know…?" ("Habt ihr Kinder es nicht gern, wenn ich meine kleinen ... ihr wißt schon ...?"), spricht an dieser Stelle nicht mehr der Protagonist, sondern Michael Jackson. Durch diesen kleinen Seitenhieb in Richtung "konventionelle" Gesellschaft (die Dorfbewohner) erlaubt sich Michael Jackson kleine zynische Seitenhiebe [hey, ich schreib nur ab, lol] und spielt damit auf den Chandler-Skandal an. Er richtet sich damit an Eltern und das ganze wohlgesittete Amerika und fragt Kinder, ob sie die "kleinen Dinge" gerne mögen, die er mit ihnen üblicherweise tut ... Welch Ironie, welch Zynismus. Worum handelt es sich bei diesen "kleinen Dingen", auf die der Maestro anspielt? Was macht Michael Jackson, wenn er sich allein in Gesellschaft von Kindern befindet? Zauberstücke...? Er treibt die Provokation an dieser Stelle auf den Höhepunkt. Michael fordert seine Verfolger heraus, indem er zweideutige Anspielungen macht. Kinder, habt ihr es gern, wenn ich meine kleinen Dinge tue, ihr wißt schon...? Worum handelt es sich? Um eine Beichte? Natürlich nicht. Es handelt sich um reinen Zynismus; es geht darum, mit Unverfrorenheit die Moral, die auf Lügen und dem Zurückweisen des Anderssein basiert, anzuprangern. Michael Jackson hat sich nichts vorzuwerfen.

    DIE TRAGISCHE KOMPONENTE IN GHOSTS

    Wie auch im Leben, so versteckt sich hinter dem Zynismus des Maestro Traurigkeit und Unfähigkeit. Die Frechheit und das Mißtrauen der von Michael Jackson verkörperten Person sind nur ein Kartenhaus, das bei der ersten bitteren Bemerkung des Bürgermeisters in sich zusammenfällt. "I don´t play games with freaks" ("Ich spiele nicht mit Monstern") vernimmt der Maestro aus dessen Mund. Und die Fassade fällt, der Mensch ist verletzt.
    Niemand steht der Gemeinheit gleichgültig gegenüber, vor allem, wenn sie ins Schwarze trifft. "There´s no need to be rude" ("Kein Grund, ausfallend zu werden"), fügt der Maestro hinzu: eine kindliche Antwort
    Michael Jackson wird der Interpretation seiner Rolle auf geradezu unglaubliche Weise gerecht. Er steht voll und ganz dahinter. Es handelt sich um eine Rolle, die er besser als jeder andere kennt, durch seine eigenen Erfahrungen. Hier spielt nicht der Schauspieler, sondern Michael Jackson spricht aus Erfahrung. Ein Individuum, das seit Jahren die gemeinsten Witze über sich ergehen lassen muß und darunter leidet, als Monster behandelt zu werden.
    Nur einen kurzen Augenblick lang würde Michael Jackson gern in eine andere Rolle schlüpfen. Seine Begeisterung für Verkleidungen und Masken erklärt sich durch seine Lust, seiner äußeren Hülle entfliehen zu wollen. Aber das Leben bietet diese Möglichkeit nicht. Deshalb versucht Michael Jackson, uns einen Moment lang in seine Haut schlüpfen zu lassen. Wenn er in die Haut des Bürgermeisters schlüpft, tauscht der Maestro die Rollen aus. Er macht aus seinem Gegenüber eine lächerliche Figur. Die Szene ist nicht gerade amüsant, sondern geradezu typisch und tragisch.
    Die Stimme des Maestro kommt aus dem Spiegel: "Who´s scary now? Who´s the freak now? Freaky boy, freak circus, freak! Who´s scary?" ("Wer jagt jetzt Angst ein? Wer ist das Monster? Kleines Monster, Zirkusmonster, Monster! Wer macht wem Angst?") Michael Jacksons Unwohlsein wird hier durch Worte zum Ausdruck gebracht.
    Die filmische Qualität von Ghosts ist unausgewogen, die autobiographische Dimension des Films macht ihn allerdings zu einem unbedingten Muß.


    Quelle: Black & White Magazin Nr. 21 u. 22
    Der dritte und letzte Teil in Nr. 23 enthält lediglich die Film-Dialoge (im Original).


    ~*~~*~

    Michael in Cannes, Filmpremiere von Ghosts, 8. Mai 1997 – Part 1 bis 4:





    * Part 2
    * Part 3
    * Part 4
    Zuletzt geändert von pearl; 21.04.2012, 21:16.

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