Der 25. Juni 2009 war ein schlimmer Tag. Ich war nach einem Treffen mit meinem Agenten Jay bei Prettybird in Santa Monica unterwegs zurück nach West Hollywood. Es reichte eigentlich schon, daß wir unser Treffen mit der Diskussion darüber, daß die liebe Farah Fawcett gerade gestorben war, beendeten. Doch als der Song, den ich im Radio hörte, vom Sender mittendrin unterbrochen wurde, wußte ich sofort, es würden schlechte Nachrichten folgen. Radiosender unterbrechen Songs nicht mittendrin wegen nichts. Und dann legte der Sprecher los. "Michael Jackson ist tot", verkündete er.
Heilige Scheiße! Ich kam beinahe von der Autobahn ab, so fassungslos war ich. Jackson war tot, unmöglich! Hätte er nicht ewig leben sollen? Ja, ich stand unter Schock, und was die ganze Sache noch befremdlicher machte, war, wie viele der anderen Autos, die auf der I-10 fuhren, in diesem Augenblick plötzlich fast zum Stillstand kamen. Ganz ehrlich, wir fuhren alle nicht schneller als 40 Meilen, obwohl kaum Verkehr auf der Autobahn herrschte. Ich konnte nur daran denken, daß in diesem Augenblick vielleicht alle Radiosender auf dem Planeten für ihre Hörer die gleiche Bombe platzen ließen.
Die Nachricht bestürzte mich besonders, weil ich einer der wenigen Glücklichen war, die hautnah zu sehen bekommen hatten, wovon die meisten Menschen nicht einmal im Traum zu denken wagten. Oh ja, ich habe den Meister viele Male in Aktion gesehen. Ich habe ihn bei seinen Konzerten fotografiert; in der Tat, die beigefügten Bilder sind meine eigenen. Und ihr könnt mir glauben, wenn ich euch sage, er WAR der King of Pop. Also bitte, laßt mich euch über ein erstaunliches Erlebnis, das ich hatte, berichten.
Es war das Jahr 1988. Das Datum war der 28. Mai und ich hatte soeben einen Anruf erhalten, daß ich am nächsten Tag nach Turin fahren sollte. Turin, Italien, das heißt, Michael Jackson auf seiner Bad Tour zu fotografieren. Ich war außer mir. Die Bad Tour war buchstäblich das Größte seit Jesus. Nein, ehrlich, ich spinne nicht rum, es war ein gewaltiges Ereignis. Kommt schon, erinnert ihr euch noch, wie ihr Scorsese’s Bad Video gesehen habt, als es im Fernsehen übertragen würde? Das allein war ein Ereignis für sich, ganz zu schweigen von der Tour. Nein, das waren große Neuigkeiten für mich und ich konnte es kaum erwarten, in dieses Flugzeug zu steigen.
1988 war ich bereits seit vielen Jahren im Musikgeschäft und habe sie alle fotografiert, von Queen über U2 bis hin zu Madonna. Ihr nennt sie, ich habe sie höchstwahrscheinlich abgelichtet. Dennoch war ich immer ein großer Fan von Michael; und Michael Jackson war, na ja, Michael Jackson! (Wißt ihr, ich kannte früher diesen Typ, der Elvis bei dem weltweit im Fernsehen übertragenen "Aloha from Hawaii" fotografiert hat (immer noch die meistgesehene Sendung in der Geschichte des Fernsehens) und er erzählte mir, dieses Erlebnis sei mit nichts auf der Welt vergleichbar.))
Und dann saß ich in Turin in einem Taxi, auf dem Weg von meinem Hotel zum Stadio Comunale di Torino. Wenn man ein offizieller Fotograf ist, trifft man in der Regel lange vor der Menge ein. Dieses Mal allerdings kam ich aufgrund einer Auseinandersetzung im Hotel erst nach der Vorgruppe an und mußte so weniger als eine Stunde warten, bis Michael auf der Bühne stehen sollte.
Wie ihr euch vorstellen könnt, war die Atmosphäre im Stadion aufgeladen und als ich mit meinem Presse-Ausweis am Security-Bereich vorbei zum Backstage-Bereich lief, ging ich buchstäblich wie auf Wolken. Dort angekommen wurde mir gesagt, wo ich mich aufstellen sollte, um die Show zu fotografieren. Nun, ich hatte Glück an diesem Tag, denn sie ließen mich geradewegs zur Bühne und positionierten mich auf Ebene eins. 'OMG, genial' dachte ich bei mir. Laßt mich erklären, wieso.
Die Bühne war über drei Ebenen konstruiert. Ebenerdig befanden sich Security, Erste Hilfe-Teams und der Großteil der Presse. Ebene 2 war für die offiziellen Fotografen (zwei von uns) und das Kamerateam bestimmt. Dann gab es noch Ebene 3, die Bühne selbst. Die gute Nachricht war, daß ich höchstens dreißig Fuß [ca. 9 Meter] von ihm entfernt war, und die meiste Zeit sogar nur zehn bis fünfzehn Fuß [ca. 3 bis 4,5 Meter].
Die schlechte Nachricht - es war mir untersagt, mich von diesem Punkt wegzubewegen, und ich sollte nur die ersten fünf Songs fotografieren (danach durfte ich mir die Show von der Tribüne aus ansehen, aber sonst nichts.) Ah, in Ordnung.
Egal, hier war ich, meine vier Canon T90's (seinerzeit die Kamera der Wahl) wie üblich um den Hals gehängt. Jede Kamera mit einem anderen Objektiv. Ich habe immer eine 35, eine 50, eine 105 und eine 3002,8 benutzt. Ich hatte eine 200 und eine 28 für gelegentliche Aufnahmen in der Billingham [Kameratasche], zusammen mit 100 Rollen Fujichrome 400. Ja, es war natürlich die Zeit des Films. Nun, man hatte einen kleinen Spielraum mit dem Weitwinkelobjektiv, doch diese 300 war ein anderes Kaliber. Ich erinnere mich noch an meine übliche Einstellung. 400asa, 250th sec @ 2.8. Ich habe das hunderte Male zuvor bei anderen Shows gemacht, doch ich mußte feststellen, es war Schwerstarbeit, Michael Jackson auf der Bühne zu folgen, dieses Ungetüm weit offen bei 2,8 und griffbereit, das könnt ihr mir glauben. So ähnlich wie Wiley Coyote, der den Roadrunner jagt.
Ich erinnere mich noch immer daran, wie die Sanitäter sich um junge Mädchen kümmerten, die ohnmächtig geworden waren, BEVOR das Konzert überhaupt begonnen hatte. Sie hatten Feuerwehrschläuche und bespritzten damit die Menschenmenge, um sie abzukühlen (auf unterschiedliche Weise, könnte ich mir vorstellen) und ich erkannte bald, daß das, was ich da sah, etwas war, das ich noch niemals zuvor gesehen hatte. Klar, bei den meisten Konzerten, eigentlich bei allen Konzerten, gerät die Menge in Aufregung, doch es gibt immer noch ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung. Nicht so bei einem Jackson-Konzert.
Und so stand ich auf der ersten Ebene und beobachtete, wie die Menge größer wurde, wie sie in Extase geriet. Sie wollen Michael und sie wollen ihn JETZT. Es war wie damals, als die La Ola-Welle in vollem Gange war. Sie steckte in den westlichen Nationen noch in den Kinderschuhen. Die La Ola-Welle war so etwas wie die Vuvuzelas der 80er; eine Modeerscheinung, die den erstaunlichen Zuschauermassen folgte, die die Welt während der Weltmeisterschaft in Mexiko 1996 beobachten konnte, und während der wir "Gringos" die Welle zum ersten Mal erlebten.
Wie auch immer, ich stand dort und beobachtete, wie sie alle durchdrehten, die Warm-up Musik war das Intro zu dem Song Bad und das Publikum geriet völlig außer Kontrolle. Genauso wie ich. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Der Tonfall, in dem die Italiener Michaels Namen riefen, klang seltsam; ein wenig so, als würden sie "Maaarrkkkkl" schreien. Naja, die Übertragung war wohl einfach recht gedämpft. Ich blickte zur Rückseite der Bühne und konnte sehen, wie sich die Crew beeilte, um die Kulisse fertigzustellen. Ich wußte, ich hatte noch mindestens zehn Minuten oder so, und plötzlich, in einem Augenblick des Wahnsinns, machte ich vielleicht zehn Schritte nach links und hatte, als ich wieder zu mir kam, fast ein Drittel der Bühne überquert. Es war ein Rausch, es war pure Elekrizität, und es hatte die Kontrolle über mich übernommen, als ich meine beiden Arme in die Luft hob, als wolle ich die Menge umarmen. Nun, was als Nächstes passierte, hatte ich nicht erwartet. Das Publikum drehte völlig durch.
Oh ja, da stand ich, hatte die Arme hochgerissen und machte mit 60.000 Menschen die La Ola-Welle, während Sprechchöre etwas skandierten, das so ähnlich wie mein Name klang. Ich war nicht sicher, ob ich es war, der sie so in Fahrt brachte, aber mir war ziemlich schnell klar, ich hatte ihre Aufmerksamkeit, als ich meine Fäuste ballte und ein Brüllen durch das Stadion ging. Verdammte Scheiße! Ich war so aufgeregt. Glaubt mir, jedes Haar auf meinem Körper hatte sich aufgestellt und ich hatte das Gefühl, als würde ich schweben; näher kann man nicht daran sein, sich wie ein Gott zu fühlen, schätze ich. Ich war einem Höhepunkt nahe, als ich links von mir plötzlich einen Mann bemerkte, der mir wild zuwinkte und versuchte, auf sich aufmerksam zu machen. Ich schaute hinunter und sah, daß es ein Security-Mann war.
"Was zum Teufel machst du da, du Idiot?" schrie er mich an. In diesem Moment traf mich die Realität wie ein Schlag ins Gesicht. Oh Mann, ungelogen, augenblicklich kam mir das, was ich getan hatte, bizarr vor; als hätte man mich beim Stehlen ertappt oder so etwas. "Oh ... oh, sorry, Kumpel, es war so mitreißend." Ich lachte nervös, als ich zu meinem Platz zurückging. Er verdrehte die Augen und sprang zurück auf die untere Ebene. Lol, ich sehe immer noch den Ausdruck auf den Gesichtern der Fotografen vor mir, die unten im Parterre waren. Einige lachten, während andere schlicht entsetzt waren. Mir war das allerdings vollkommen egal. Es war ein solcher Rausch gewesen, und außerdem hatte ich sowieso nicht mehr allzu viel Zeit, darüber nachzudenken, denn Jackson war im Begriff, auf die Bühne zu gehen.
Die Musik war lauter und lauter geworden und das Publikum wurde immer wilder und wilder. Sie zogen so viele Menschen über die vorderen Barrieren, daß es aussah, als hätte es einen Aufstand gegeben. Die Mädchen waren hysterisch, ich meine, völlig außer Kontrolle. Ich stellte mir vor, daß es so ungefähr bei den Beatles gewesen sein mußte. Was für ein Trip. Aber wo zum Teufel war Jackson, dachte ich, als ich durch den Vorhang spähte und sah, daß die Tänzer ihre Positionen eingenommen hatten; aber noch immer kein Michael.
Die Lichterwand war oben, die Tänzer waren in Position, mein Magen schlug Purzelbäume und 60.000 Menschen machten sich zum Ansturm auf die Bühne bereit. Es war der reinste Hexenkessel und ich war sehr aufgeregt, als plötzlich etwas meine Aufmerksamkeit erregte. Was ich sah, fesselte mich, denn die Vorhänge am anderen Ende der Bühne hatten sich geöffnet, eine große schwarze Limousine hielt an der Rückseite der Bühne und die Tür ging auf. Ich sah erstaunt zu, wie Michael heraussprang, gekleidet in sein schwarz-silbernes Militär-Outfit. Dann, so beiläufig, als ginge er in einem Lebensmittelladen zur Kasse, ging er hinauf und an der Seite des Bühnen-Unterbaus entlang. Ich verlor ihn für ein paar Sekunden aus den Augen, nur um ihn auf der Seitentreppe neben der Bühnenfront wieder auftauchen zu sehen. Er schlenderte über die Bühne, vorbei an der Band, er lächelte, als er dies tat, und bis zum vorderen Rand der Bühne, wo er sich in Position stellte, indem er die Hand zu seinem mittlerweile berüchtigten Salut hob. Er war vielleicht zwanzig Fuß [ca. 6 Meter] von mir entfernt. Die Lichter und Nebelmaschinen verbargen ihn vor dem Publikum; ich sah sprachlos zu, ich konnte einfach nicht glauben, was geschah. Ich erinnere mich, daß ich sah, wie er seine Augen schloss.
Dann BOOM! Die Lichter flammten auf, die Lichterwand senkte sich herab und die Menge brach in einen Aufschrei aus, der klang, als würde eine Lawine auf uns zu rollen. Im gleichen Moment begann Jackson zu tanzen, stoßend und wirbelnd, und hatte augenblicklich die Menge in der Hand. Die Show war jetzt voll im Gang, doch um ehrlich zu sein, brauchte ich gut dreißig Sekunden, um meine Fassung wiederzuerlangen. Denn ich stand mit offenem Mund da, vollkommen fasziniert von dieser unglaublichen Szenerie. Es war verrückt. Vor ungefähr zwanzig Minuten oder so hatte ich einen der intensivsten Momente meines Lebens erfahren, als ich dort stand und meine Arme dem Publikum entgegenstreckte. Und nur Augenblicke später beobachtete ich, wie dieser Kerl lässig vor 60.000 Menschen herumschlenderte und sie dermaßen anturnte. WTF! Ich werde das niemals vergessen.
Jedenfalls schoss ich meine fünf Songs, so schnell ich konnte fotografierend, und als ich fertig war, wurde ich an der Seite der Bühnenebene nach unten und aus dem Backstage-Bereich heraus zu der Tribüne gebracht, wo ich dann zusammen mit dem Rest der Presse saß und die Show genoss.
Doch glücklicherweise war das nicht das Ende meiner Zeit mit Michael Jackson. Nein, denn weniger als einen Monat später machte ich mich auf den Weg zum Wembley-Stadion, wo ich fünf Abende in Folge seine Show fotografierte.
Oh mein Gott, das waren ein paar verrückte, heiße Sommernächte. Die Negative befinden sich verschlossen auf einem Dachboden in London, doch ich habe es geschafft, ein paar wenige Fotos aus meinen Akten hier in LA auszugraben. Ich hoffe, sie gefallen euch.
Aber, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es war, schaut euch diesen Clip von Jackson bei einem Konzert im Wembley an; tut es und sagt mir dann, daß ihr den Rausch nicht spürt.
Ich werde das als eine der liebevollsten Erinnerungen meines Lebens im Gedächtnis behalten.
Genießt es ...
PS: Ihr solltet euch das beigefügte Video wirklich unbedingt anschauen, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie irre diese Londoner Konzerte tatsächlich waren.
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