Hallo ihr Lieben,
seit dem Tag, an dem Michael Jackson gestorben ist, beschäftige ich mich sehr intensiv mit ihm und seinem Leben. Ich las sehr viel über seinen künstlerischen Werdegang, versuchte aus Interviews und Büchern so viel wie möglich über seine Person, über die menschliche Seite von Michael Jackson zu erfahren.
Ich wollte ihn ganzheitlich erfassen können. Ich wollte ihn verstehen lernen. Ich wollte seine Lebensziele erkennen, sein immerwährendes Streben und Bemühen, diese Welt zu verbessern. Sein caritatives Engagement wertschätzen und hoch achten.
In diesem ganzen Zeitraum war ich so hin- und hergerissen in meinen Gefühlen. Mal beweinte ich diesen Menschen, weil er so früh sterben musste und seine Kinder zurücklassen musste. Dann beweinte ich die seelischen Schmerzen, die er wohl gehabt haben musste, wohl bedingt auch durch die Ungerechtigkeiten, die Verhöhnungen, die Verleumdungen, die ihm in seinem Leben widerfahren sind.
Ich weinte um die Schmerzen, die ihm in seiner Kindheit bereits angetan wurden und die er nun mal nicht auslöschen konnte. Ich weinte darum, dass dieser wunderbare Mensch nicht das private Glück an der Seite einer Frau gefunden hatte und immer wohl ein Suchender war nach einer heilen Familie. Ich weinte darum, dass er in der Öffentlichkeit nicht die Anerkennung erhielt, die ihm meiner Meinung nach gebührte.
Dann wiederum beweinte mich selbst, weil ich jetzt erst von den wundervollen menschlichen Zügen des Michael Jackson erfahre, weinte weil ich diesen wundervollen Mann nie erleben konnte. Weinte, weil ich nicht mithelfen konnte, sein öffentliches Bild ins rechte Licht zu rücken, weinte, weil ihm so Unrecht getan wurde, weinte weil ich mich selbst so hilflos fühlte.
In den ersten Wochen dachte ich, das ist alles so frisch, also ist es klar, dass ich um ihn weine. Es ist ja auch etwas wirklich Schlimmes passiert. Das wird mit der Zeit besser. Schließlich heilt die Zeit Wunden.
Aber es wurde nicht besser. Nun weine ich seit beinahe fünf Monaten um Michael Jackson in so einem Ausmaß und mit so einer Intensität, dass ich spürte, das kann nicht „gesund“ sein. Ich vernachlässigte meine Arbeit, ich vernachlässigte meine Freunde, ich saß stundenlang am PC, bewegte mich hier im Forum, gierte förmlich nach Neuigkeiten im „Fall“ Michael Jackson. Kaum etwas anderes war mehr wirklich wichtig.
Ich beschloss, etwas zu unternehmen, denn das durfte kein Dauerzustand werden, ich will wieder zurückfinden in mein Leben.
Ich begann zu überlegen, was hat dieser Schmerz um Michael Jackson mit mir selbst zu tun, mit meiner Familie. Aber natürlich kam ich mit rein rationalen Überlegungen nicht drauf.
Also beschloss ich nach fast fünf Monaten nachzugucken, wo sind meine Anteile an dieser übergroßen Trauer an einem mir doch vollkommen fremden Menschen, mit dem ich in meinem ganzen Leben nie wirklich was zu tun hatte.
Ich muss beruflich bedingt immer mal wieder ein Supervisionsangebot annehmen. Und heute beschloss ich, diese Stunde für dieses private Anliegen zu nützen. Ich arbeite da mit einer großartigen systemischen Therapeutin zusammen, die einen sehr professionellen Blick auf Verstrickungen in Familiensystemen hat.
Es liegt erst ein paar Stunden zurück. Ich werde euch jetzt keine Einzelheiten schildern. Weder aus meinem Leben noch über das, was mir aus der Betrachtung des Lebens von Michael Jackson klar geworden ist.
Was ich euch mitteilen möchte, ist, dass ich wieder viel klarer sehen kann. Dass ich unterscheiden kann zwischen meinen Anteilen und den Anteilen von Michael Jackson und seinem Schicksal an meiner übergroßen Trauer um ihn. Dass ich jetzt sehen kann, was genau mich am Schicksal Michael Jacksons so berührt hat und die Parallelen zu meinem eigenen Leben und meinem (Familien-)Schicksal.
Diese Unterscheidung ist so enorm wichtig, weil ich mich sonst in das schwere Schicksal eines anderen Menschen (in unserem Falle eben Michael) verstricke und etwas (seelisch) mittragen möchte, was nicht Meins ist. Und das führt nicht selten zur Verherrlichung eines Menschen, zur Idealisierung, zur völligen Ausblendung von Negativem, zum „Verrücken“ der eigenen Realität. Im schlimmsten Fall könnte dies tatsächlich zu einer Psychose führen.
Was ich euch damit sagen möchte ist ganz einfach, wenn es euch gar nicht gut geht mit Michaels Tod, wenn ihr für euren Geschmack zu sehr trauert, wenn es immer noch zu sehr schmerzt, wenn ihr euer eigenes Leben zu sehr vernachlässigt, dann scheut euch nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ich habe jetzt einfach in nur einer Sitzung die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist, wieder etwas „klar zu rücken“.
Ich werde natürlich weiterhin den Menschen Michael Jackson lieben, hoch achten was er geleistet hat und auch weiterhin seine großen Lebensziele nicht aus den Augen verlieren, denn die sind auch mir wichtig geworden. Aber ich werde aufpassen, dass ich die klare Trennung zwischen mir und Michael Jackson vollziehe und mich seelisch nicht wieder in seinem Schicksal verfange.
Eine Bitte an euch: Ich freue mich über Beiträge von Leuten, die bereits in dieser oder ähnlicher Richtung etwas unternommen haben oder es vorhaben.
Es soll keine Diskussion über das Für und Wider einer Inanspruchnahme von professioneller Hilfestellung werden!
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