Seit Michael gestorben ist, habe ich mir über mein Leben und das Leben im Allgemeinen mehr Gedanken gemacht, als in all den Jahren davor. So viel wie seit dem 25. Juni 2009 habe ich noch nie nachgedacht über all das, was in meinem Leben geschehen ist und es hat mich zu so mancher neuen Erkenntnis geleitet. Doch es gibt zwei Dinge, die mir nun mehr bewusst sind als jemals zuvor und mit denen ich mich besonders in den letzten Tagen auseinandergesetzt habe.
Es gibt zwei Dinge im Leben, die sicher sind:
1. Wenn das Schicksal (ja, ich glaube an Schicksal) erstmal entschieden hat, dann gibt es kein Zurück mehr.
2. Nichts im Leben ist wirklich sicher
Besonders der zweite Punkt ist echt komisch/lustig, nachdem ich oben gesagt habe, dass diese beiden Dinge im Leben sicher sind. Doch vielleicht ist genau das die Ironie des menschlichen Lebens? Es ist sicher, dass nichts sicher ist. Niemand kann sagen, was einen am nächsten Tag erwartet. Ja, man kann nicht mal genau sagen, was einen in der nächsten Minute erwartet, wenn man es genau nimmt. Und dennoch tun wir Menschen etwas...nun...ich nenne es mal...etwas Irrrationales. Wir planen für unsere Zukunft. Eine, die es möglicherweise ja gar nicht gibt. Wer weiß das denn schon? Wer weiß denn schon, ob wir nicht morgen aus der Tür gehen und von einem Betrunkenen über den Haufen gefahren werden? Oder ob wir die Treppe runter fallen und uns das Genick brechen? Es kann so schnell gehen. Jeder Tag könnte der Letzte sein.
Doch wir Menschen sind nicht dazu gemacht so zu denken. Wir denken nicht gerne an den Tod und schon gleich gar nicht an unseren eigenen. Doch der Tod ist sicher und für uns alle unausweichlich. Irgendwann gehen wir alle. Nur wann? Jeder hofft natürlich, so alt wie möglich zu werden und viele schöne Jahre mit den Lieben verbringen zu können. Ich auch. Doch wissen können wir es nie.
Vor kurzem hatte ich eine Diskussion mit meiner Mutter, ausgelöst durch eine Bestellung meinerseits. Meine Mutter kann und konnte nicht verstehen, warum ich mein Geld für Michael ausgebe. Sparen soll ich, meint sie. Sparen für die Zukunft, denn ich könnte ja in ein paar Jahren irgendwas wollen. Ein neues Auto, eine eigene Wohnung, oder irgendetwas anderes was Geld kostet. Und natürlich wäre das sinnvoll, das gebe ich gerne zu. Doch wie kann ich heute schon wissen, was ich in einem Jahr will? Wie kann ich heute schon wissen, ob ich in einem Jahr überhaupt noch da bin?
Michaels Tod und die Monate davor schon, haben mir gezeigt, wie schnell alles im Leben sich ändern kann, wenn das Schicksal seinen Lauf nimmt. Noch am Anfang des letzten Jahres lebte ich in einer ganz anderen Welt. Ich hatte andere Freunde, war Fan einer anderen Band und ich hatte andere Träume und Ziele. Was mir jedoch fehlte war die Kraft, diese Träume und Ziele zu erreichen. Ich glaubte nicht, dass ich es schaffen könnte und stand mir selbst im Weg. Hätte mir damals jemand gesagt, wie mein Leben heute aussehen würde, ich hätte ihn ausgelacht und für verrückt erklärt. Ich meine damaligen Freunde aufgeben? Niemals. Ich einen anderen Künstler mehr lieben als meine damalige Lieblingsband? Niemals. Ich jemals einen anderen Traum haben als den, den ich damals hatte? Nie im Leben.
Doch schon zwei Monate vor Michaels Tod begann dieses „Niemals“ schon zu wackeln. Daher wohl auch der Spruch „Sag niemals nie“. Ohne dass ich es bemerkt hatte, habe ich mich so sehr verändert, dass meine damaligen Freunde mich nicht mehr wiedererkannten, dass sie nichts mehr mit mir anfangen konnten und mich nicht mehr wirklich verstanden. Zuerst machte mir das noch Sorgen, denn meine Freunde zu verlieren, das war immer mein Alptraum gewesen. Doch irgendwann merkte ich, dass sie Recht hatten. Ich merkte es spätestens, als Michael starb, dass mich mit ihnen nichts mehr verband. Irgendwas war geschehen und dieses freundschaftliche Band war gerissen. Heute weiß ich, dass dieses Band nie so fest gewesen ist, wie ich es gerne gehabt hätte. Plötzlich war es mir egal, ob sie mich verstanden oder nicht. Plötzlich war es mir egal, ob ich sie verlor oder nicht, denn ich spürte, wir gingen nicht mehr den gleichen Weg.
Ich hatte einen neuen Weg gewählt. Oder sollte ich sagen, das Schicksal hat einen neuen Weg für mich gewählt? Das ist wohl korrekter, denn ich glaube, dass genau das es war, was mich zu Michael führte. Es war vorherbestimmt. Alles was bereits zwei Monate vor seinem Tod mit mir geschah, geschah nur, um mich auf das vorzubereiten was dann kam. Ja, möglicherweise hat mein ganzes bisheriges Leben mich nur zu diesem einen Moment hingeführt. Alles was ich erlebt habe und wofür ich mich stellenweise gehasst habe, wofür ich das Leben stellenweise gehasst habe, hat mir schlussendlich nur den Weg gewiesen. Den Weg zu Michael! Denn hätte ich all das nie erlebt und nie erfahren, dann hätte ich mein Herz für Michael nicht so öffnen können, wie ich es getan habe. Wäre mein Leben immer geradlinig verlaufen, so wie das von meinen Geschwistern, dann würde ich heute vielleicht genau so denken, reden und handeln wie sie, ohne Chance, Michael jemals zu verstehen.
Natürlich habe ich nicht erlitten was Michael erlitten hat. Aber auch ich habe die Erfahrung gemacht wie es ist, wenn Gerüchte über einen gestreut werden und man genau weiß, die sind erstunken und erlogen. Auch ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen denen man vertraut einen schwer erwischen können, einfach weil man nicht glauben wollte, dass sie einen verarschen. Auch ich weiß wie das ist, wenn man mit Menschen zu tun hat, deren Blick nie über den Tellerrand raus geht. Und auch ich musste erleben, dass Menschen einen gerne fertig machen, um sich selbst cool und toll zu fühlen.
Ich hab mich oft gefragt, warum ausgerechnet mir das passieren muss. Warum ausgerechnet ich deren „Opfer“ sein musste. Heute versteh ich es. Es half mir einfach zu verstehen, wie schlimm, wie einsam sich Michael manchmal gefühlt haben muss. Das alles kann kein Zufall sein.
Und so komme ich wieder auf meinen Gedanken oben zurück; egal wie sicher man sich zu sein glaubt, was die Wünsche für die Zukunft angeht, was heute noch der größte Traum ist, kann morgen schon eine Nichtigkeit sein, wenn unser Schicksal zuschlägt. Innerhalb von ein paar Monaten hat mein Leben sich komplett von links auf rechts gedreht und ich hab immer nach der Antwort gesucht, warum das denn nun so ist. Die Antwort ist so einfach; es ist so, weil es so sein soll. Und ich würde keine Sekunde mehr eintauschen wollen.
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