Es war ungefähr 1 Uhr unserer Zeit, also der frühe 26. Juni 2009, als ich, halb schlafend,
die Nachricht im Radio hörte: ,,Michael jackson ist vor wenigen Minuten ins Krankenhaus gekommen.
Näheres ist zur Zeit nicht bekannt. Lediglich Spekulationen dahingehend, er sei aufgrund seines körperlichen
Zustandes mit Blick auf die geplante ,,This is it Tour" in seinem Haus bewusstlos aufgefunden worden, haben
uns eben erreicht."
Ich lag wach. Jackson? Achso...er wollte ja wieder auf Tournee gehen...
Ein beklemmendes Gefühl stieg in mir hoch. Das ist es , was mich bis heute gefangen hält.
Ich war nie sein Leben intensiv verfolgt, habe nie Konzerte besucht oder auch nur eine Platte besessen.
Natürlich kannte ich ihn, wer tat das auch nicht? Aber mehr als ein bekanntes Gesicht, war er bis dato
eigentlich nicht für mich.
Ich erinnerte mich an Kindertage, als aus dem Zimmer meiner großen Schwester ,,black or white" dröhnte.
Bilder und Begriffe schossen mir durch den Kopf: Thriller, Operationen, Kinderstar, Moonwalk, Rekordverkauf...
Was fehlten waren Erinnerungen an Poster an den Wänden, Busfahrten, während denen Michael aus den
Kopfhörern des Walk-Man schallte, Konzertbesuche...
Also hätte er doch eigentlich für mich nur ein weitere zu früh verstorbener Musiker für mich sein müssen, ein
weiterer verlöschender Stern am Himmel der Musik- und Filmstars. Aber genau das war er nicht für mich, als ich
wach lag, und mein Herz bis zum Hals klopfen spürte.
Am nächsten Morgen waren alle Fernseh- und Radiosender bereits damit beschäftigt, alle bis dahin bekannten
Details der Todesumstände an den Mann zu bringen und die wahrscheinlich längst im Keller verstaubten Platten
hervorzukramen. Mir war elend zu mute.
Ich fuhr gerade durch den dichten Verkehr auf der A43. ,,Heal the world" tönte leise aus den Lautsprechern.
Ich fühlte mich wie betäubt ohne zu wissen, warum eigentlich. Mir war klar, dass es Fans gab, ECHTE Fans, die
Michael liebten, 20 oder 30 jahre lang schon. Die in Teenagertagen mit Freunden die Tänze der Thriller- und
Bad-Alben bis zur Ermüdung einstudierten. DENEN musste es schlecht gehen, warum aber mir?
Die Tage vergingen, allerdings nicht ohne weitere Details aus dem Leben des King of Pop. Alte Geschichten wurden
aufgewärmt, Dokumentationen und Musikvideozusammenschnitte auf jedem Kanal.
Dann kam der Tag der Trauerfeier im Staples Center, Los Angeles.
Mein Freund rief gerade an, als der Sarg unter musikalischer Begleitung in die Arena getragen wurde. ,,Ich hab
die Songs besorgt, die du wolltest". Ich fühlte mich wie ein Grabschänder! Die vielen Jahre, in denen seine Songs
im radio gespielt wurden, habe ich sie freilich immer gemocht. Es waren (und sind) bedeutende Elemente der
Musikgeschichte; zeitlos, Klänge, die durch Mark und Bein gehen. Was mich aber immer davon abgehalten hat,
mich näher mit ihm zu beschäftigen, waren die Art und Weise, wie er auftrat, bzw., um es DEUTLICH zu sagen, von
den medien präsentiert aufzutreten schien. Ich empfand ihn immer als ,,unheimlich", vielleicht auch etwas
größenwahnsinnig. Ich wollte ja schließlich nicht vor meinen Freunden als ,,Freak" dastehen, was Michael
Jackson Fans bedauerlicherweise in den Augen außenstehender in den letzten Jahren immer waren. Leider interessierte mich schon immer zu viel, was andere Leute über mich dachten, wodurch ich mich schon oft von Herzensangelegenheiten habe abhalten lassen...
Nun, während die Trauerfeier lief, saß ich da, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen hand ein
Taschentuch, gerührt von Usher's Darbietung des ,,Gone too soon".
Es ging durch mich wie ein Blitz, ich bekam Gänsehaut: Dort standen nun Freunde,Familie und Vertraute des
M.J., in der Mitte der pathetisch angeleuchtete sarg und ich saß auf der anderen Seite des Bildschirms, mit
Tränen in den Augen und in meinem Kopf die völlig von den Medien indoktrinierten, bis ins kleinste Detail manipulierten Bilder
aus dem bisherigen Leben des Michael Jackson.
Ich sah nun echte Gefühle, live, ungeschnitten und eins zu eins, während sich in meinem Kopf die Bilder festgesetzt
hatten, deren einziger Zweck es war, einen wunderbaren, talentierten, gottgesegneten Menschen als einen von jeder
Menschlichkeit entkoppelten, ruhmgiereigen, wahnsinnigen Prominenten darzustellen.
Die Asche meiner Zigarette fiel auf den Boden, cih schrack hoch und wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen.
Den Rest der Trauerfeier erlebte ich wie unter einer Käseglocke.
In den folgenden Tagen wurde die Berichterstattung intimer, die Fotografen und angebliche Zeugen sämtlicher
Vorkommnisse fraßen sich satt an dem Geld, was mit schmutzigen Details und sehr vagen Beweisen zu verdienen
war, seien es das neu aufgerollte Kindesmissbrauchsthema, die horrenden Schulden oder die sexuellen Vorlieben
des Michael Jackson.
Allerdings hatte das öffentliche Leben des M.J. seit der Trauerfeier für mich ein sehr menschliches, bürgerliches
und absolut unglamouröses Gesicht bekommen: seine drei, dort erstmals unverhüllt zu sehenden Kinder, drei
wundervolle Geschöpfe, die zu der Trauerfeier nicht des Geldes, des Ruhmes oder auch nur der Musik wegen
erschienen waren: für sie war Michael Jackson nicht der King of Pop, der Mann der das best verkaufteste Album
aller Zeiten geschaffen hatte, der, der sich unters Messer gelegt hatte oder der den Moonwalk erfunden hatte.
Sie waren gekommen, um sich von dem Menschen zu verabschieden, der sie bedingungslos geliebt hatte.
Bis heute hat die Bercihterstattung nicht abgerissen.
Tragisch ist, neben dem ohnehin für mich noch unbegreiflichen Tod des M.J., dass, egal was er tat, wie stark er
sich auch gegen das Elend der Welt einsetzte, welche Statements er abgab oder welche Hits er auch produzierte:
SIE, die Medien, haben mich davon abgehalten dem größten Musiker und - was er in erster Linie war - einem
der großartigsten Menschen näher zu kommen.
Das bedauere ich zutiefst, das ist es, was mich schon am frühen Morgen des 26. Juni bewegte - die Angst vor der
eigenen Courage! Ich bereue es sehr, dass ich mich so habe beeinflussen lassen...Ich kann nun nichts mehr tun,
außer dies hier zu schreiben und EUCH zu zeigen...
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