seid gegrüßt - ich bin neu hier und froh, eine Gelegenheit gefunden zu haben, mir etwas von der Seele zu posten.
Vorhin las ich den wunderbaren "Coming-Out"-Beitrag von Cosima1. Einiges, fast alles davon, kann ich mehr als nur gut nachfühlen, vor allem natürlich den unglaublichen Magnetismus, der von Michael Jackson ausgeht. Meine Trauer gestaltet sich derzeit ähnlich wie die von Cosima und verwandten Seelen - wenn auch mit leicht verschobenem Akzent.
Ich gehöre zu denen, die durch MJs Tod professionell mit ihm zu tun bekamen. Nicht als Aasgeierin. Ich kann nur hoffen, dass mir hier geglaubt wird, auch wenn ich Verständnis dafür hätte, wenn einige meine Zeilen misstrauisch beäugten.
Wie Cosima und viele andere in diesem Forum habe ich nie zu den Fans 'erster Ordnung' gehört, um es einmal so zu nennen. ABER: Seit "Billie Jean" 1983 durch alle Kinder- und Klassenzimmer schnurrte, hat mich dieser Sound nicht mehr losgelassen. Anfangs wusste ich gar nicht, was für ein begnadeter Tänzer derjenige war, von dem dieser Song offenbar stammte. Ich mit meinem unbedarften Noch-fast-Kindsgemüt spürte nur: Da war etwas anders. Eine Zäsur. Ein ganz neuer Stil. Der war eine Kategorie für sich, das war klar.
Als ich mehr über den Sänger von "Billie Jean" (und dann "Beat it", das ich damals nicht mochte) herausfand, fand ich ihn unglaublich, optisch, tänzerisch (!!!!), musikalisch. Sogar seine Schönheits-OPs, über die schon früh gespottet wurde, empfand ich bis zu einem gewissen Punkt als sehr gelungen, ja beinahe notwendig für DIESE Art von Karriere. Sah fantastisch aus, vor allem zu BAD-Zeiten, fand und finde ich.
Nie wieder seither (und auch nie zuvor) hat es jemand verstanden, so viel aus simplen Beats zu machen. Nie wieder hat jemand so viel Charisma, Leidenschaft und Präzision auf eine vergleichbare Bühne gebracht.
Das jedoch beginne ich erst heute voll zu begreifen. Also auch eine von denen, die es postmortal erst 'so richtig' erwischt hat.
Ich kaufte damals zwar "Thriller" (mit vom ersten ernsthaften Taschengeld) als Kassette und später "Bad" als Platte, aber gewissermaßen nebenbei - und fast mit schlechten Gewissen, war ich zu der Zeit doch David-Bowie-Fan, der mir vergleichsweise 'intellektuell' vorkam MJ war mir, fürchte ich, zu mainstreamig (was Bowie damals auch war, aber ich habe es nicht kapiert). Heute bedauere ich sehr, mich nicht intensiver für Michael Jackson interessiert zu haben.
Erst in den letzten Jahren, als niemand mehr ein Stück Brot von ihm zu nehmen schien, wie es mir vorkam, und ich seine Fans auch nicht mehr als solche wahrnahm (kam mir vor wie das 'große Schweigen'), obwohl sie noch da gewesen sein müssen, habe ich mich wieder für ihn interessiert. Ich wollte "Billie Jean" zurück haben und kaufte eine Kompilations-CD. An der Kasse habe ich mich fast geschämt. 2005 hörte einfach niemand mehr Michael Jackson. So zumindest erschien es mir - und so waren die Reaktionen, wenn ich das Gespräch auf ihn lenkte. Ich kam mir vor wie die letzte Mohikanerin, als ich mich zu einem Zeitpunkt so umfassend für ihn interessieren begann, zu dem andere nur noch ein müdes Lächeln übrig hatten. Und doch begann ich erst - und gerade - zu dieser Zeit so langsam zu begreifen, wie phänomenal er tasächlich gewesen ist (auch im Vergleich zur damaligen und aktuellen Konkurrenz), und war eine Weile regelecht süchtig nach alten Videos auf YouTube mit Konzertmitschnitten usw.
Als ich die Pressekonferenz im März sah, war ich hingegen entsetzt von seinem Zustand. "Wie kann man so jemanden einem solchen Marathon aussetzen?" war mein erster Gedanke. "Das endet doch mit einem Kollaps. - Sieht das denn keiner?" Wie viele andere auch, die erschrocken gewesen sein mögen, ging ich jedoch zur Tagesordnung über.
Dann, am 26. Juni, klingelte das Telefon. Michael Jackson sei tot. Bevor ich etwas empfinden oder ein Wort sagen konnte, begriff ich: Das bedeutet Arbeit.
Ich bin als Autorin für einen Hörbuch-Verlag tätig; neben anderem verfasse ich essayistische Skizzen von Biografien berühmter Gestalten aus Zeit- und Kulturgeschichte. Ich hatte Glück: Bislang habe ich nur über solche geschrieben, die mir auch persönlich viel bedeuten oder mich in einer bestimmten Lebensphase sehr berührt haben. Das wird auch so bleiben, dafür sorge ich; alles andere wäre für mich unverantwortlich.
Ich habe also geschrieben, vom 26. Juni an, und nichts anderes getan, bis ich fertig war. Für Trauer war kein Platz. Ich musste funktionieren - und mich völlig frei halten von Anfechtungen in Richtung 'Kitsch' oder 'unreflektierter Rührseligkeit'. (Will mit diesen Bezeichnungen niemandem zu nahe treten. Falls es für jemanden hier verletzend sein sollte - sorry, ist nicht so gemeint.) Es gehört einfach zu diesem Job. Das schulde ich auch meinem Anspruch. Hart wurde es, als das Video aus dem Staples-Center veröffentlicht wurde. Da habe ich dann doch kurz die Distanz verloren und geweint.
Ich weine selten.
Nun ist das Ganze produziert, ich bin längst bei anderen Projekten. Doch Michael Jackson lässt mich - ähnlich wie Cosima1 - nicht mehr los. Wie eine Verrückte haue ich mir seine Musik auf die Ohren, suche das Internet ab usw. - und trauere. Erst jetzt. Wie ich hier sehen kann, ist das Phänomen nicht unverbreitet. Das tröstet etwas.
Es würde mich sehr interessieren, ob unter Euch auch Leute sind, die neben aller privater Verehrung auch beruflich mit ihm zu tun hatten - vor seinem Tod oder durch sein Ableben. Und wie Ihr damit umgeht. Auch wüsste ich gern, ob Menschen wie ich für Euch jetzt quasi vollautomatisch als Leichenfledderer oder dergleichen dastehen, nur weil als (auch) professionell geoutet ...
Meine Tränen sind dadurch gewiss nicht weniger echt als die von rein privat motivierten Fans ... Aber es bleibt so ein Beigeschmack. Vielleicht treibt mich auch das um. Ich habe vergleichsweise kompromisslos geschrieben und stehe voll dahinter. Dennoch ...
Für mich sind nicht nur gewisse Ärzte oder Staatsanwälte (potenziell) mitschuldig oder schuldig am tragischen Geschehen, sondern auch diejenigen, die das This-Is-It-Projekt so monumental aufgezogen haben. MJ war extrem abgemagert, etliche Jahre entfernt vom Live-Performances und keine zwanzig mehr. Das zumindest lässt sich zweifelsfrei sagen. Dazu war er vermutlich schwerabhängig und hochverschuldet. So jemanden schickt / lässt man nur auf die ganz große Bühne, wenn man weiß, der ist tot sehr viel mehr wert als lebendig, habe ich oft gedacht. (So funktioniert das erbarmungslose Geschäft, in dem eine hypersensible Seele wie Michael überleben musste - und am Ende wohl nicht mehr konnte, wie auch immer.) Und das macht mich WÜTEND. Mag hier eine Minderheitsmeinung sein, aber sie muss einmal raus.
Inzwischen, das hat spätestens sein Tod und die intensive Beschäftigung mit ihm bewirkt, bin ich Fan 'erster Ordnung.'
R.I.P. Michael
Liebe Grüße an Euch alle -
colognian_girl
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