Mit viel Elan wird die Tür für die bevorstehende Lektüre geöffnet. Schon auf den ersten Seiten wird um viel Verständnis geworben, warum dieses Buch entstehen musste und warum genau jetzt der beste Zeitpunkt dafür ist.
Durch die Tür wird der Teppich gerollt, auf dem der Leser verstehen soll, dass Michael Jackson ein hoffnungslos Abhängiger war. Viele Attribute der Schwäche werden genannt, von mangelnder Selbsterkenntnis, fehlender Alltagstüchtigkeit, Entwurzelung und Todessehnsucht ist die Rede.
Der Rabbi beschreibt einen verzweifelt Suchenden, der ihn sozusagen „angeheuert“ hat, seinem Leben wieder eine Struktur zu verleihen.
Und daraus entstand eine innige Freundschaft, nicht nur aufgrund der Offenheit von Michael, sondern auch durch die dann entstehende räumliche Nähe – denn der Suchende hatte zum Zeitpunkt, als sie sich kennenlernten, keinen Platz auf der Welt und wurde aus seiner Ecke im Nimmerland in die Familie und in den Alltag, mit all seinen jüdischen Gebräuchen und Riten aufgenommen.
Wenn wir die aufgezeichneten Gespräche beginnen zu lesen, haben wir zwei Männer vor Augen: Einen, der ausgefallen ist und auf allen Vieren nach Sinn und Anschluß sucht und einen, der sich wohlwollend über den Bart streicht und dann die Arme voller Liebe und Kenntnis über die Funktionen eines gesunden Lebens austreckt und das Mündel großzügig in sein Haus aufnimmt.
Warm und herzlich wird uns dieses Haus und seine Gebräuche beschrieben mit seinen vielen Besuchern – es scheint kein einziger dabei zu sein, der nicht mindestens ein selbstgeschriebens Buch aufzuweisen hat – die der Gefallene kennenlernen und Basistätigkeiten wie einfache Gespräche üben darf.
Das alles vollzieht sich in liebervoller Lebensart, mit Gebeten und Gesang und Kerzenschein. Man sieht förmlich das freundliche Wohnzimmer mit dem lodernden Kaminfeuer vor sich, das unwiderstehlichen Rückhalt verspricht.
Es wird dann die Vermutung geäussert, die Schwierigkeiten des Schützlings könnten von einer Medikamentenabhängigkeit her rühren. Diese Vermutung wird an abwägenden Berichten von bitter erlebten Situationen festgemacht. Die Aufzählung derer lassen aber letzlich keinen Zweifel daran, dass aber genau das ein zumindest schwerwiegender Teil seiner Probleme sind.
Der Schritt von einem ersten zaghaften Tapser zurück an einen Ort, wo andere Menschen sind, wandelte sich überraschend schnell zu einem Rednerpult der Oxford University, zusammen mit anderen öffentlichen Auftritten und Projekten, die sich in rasender Geschwindigkeit zwischen den beiden zu entwickeln schienen. Aber da befand sich Michael ja in führender Begleitung und der Rabbi befand, dass alles dieses Michael gut tat und ein Zeichen sind für erste Erfolge des Heilungsplans.
Der Rabbi sitzt fest im sicheren Sessel seiner Glaubensprinzipien und leitet von dort eine Heilungsstrategie ab, die er Michael in Form eines festen Programms anbietet, dass dieser als letzten Ausweg strikt zu befolgen hätte.
Der Rabbi hat den Heilungsweg klar vor Augen, er zweifelt nicht an der Wirkung seines Angebots.
Warum Michael diesen Weg nicht einzuhalten in der Lage war, auch darauf hat er feste und unerschütterliche Antworten, die er vor Allem im Nachwort seines Buches fast übermütig deklariert.
Liebe und nochmals Liebe, zu Gott, zum Leben, zu den Menschen, das ist das übergreifende Wort, das immer wieder fällt und das die Männer im Geiste vereint.
Darauf gründet der Plan, ein gemeinsames Buch zu schreiben und dafür wurden diese Bandaufnahmen gemacht.
Kinder
Michael liebt Kinder. Er braucht Kinder. Kinder sind das Mark des Lebens, die Reinheit, der Anfang, die Schutzbefohlenen, die Aufgabe, die Berufung. Er sagt es immer und immer wieder. Ganz egal zu welchem Thema, es sind die Kinder, die die Antwort auf alle seine Fragen sind.
Es ist ganz einfach und bedarf gar nicht vieler Worte.
Es ist seine Mission und der Grund, warum Gott ihn auf diese Erde geschickt hat: die Unschuld und Unantastbarkeit von Kindern auf der ganzen Welt zu schützen.
Erst kommen die Kinder und dann erstmal eine ganze Weile gar nichts.
Er beschreibt es in solcher Inbrunst und Deutlichkeit, dass ich ganz persönlich nur einen Schluß ziehen kann:
Ich gebe an dieser Stelle zu, abseits von allem, was sich gehört und politically correct ist, dass es mich durchaus langweilt, mir diese ausschweifenden Gedanken über Kinder anzuhören bzw zu lesen. Selbst, wenn es von Michael kommt. Und ich bin kein schlechter Mensch und ich liebe Kinder auch.
Deswegen hat er Recht damit, dass es seine Mission ist und damit er den besonderen Einsatz bringt … denn alle anderen, die Kinder halt nur ganz normal lieben, lassen so manches schutzlose Wesen unter die Räder kommen.
Es gibt Menschen, die einen Ruf in sich hören und ihm folgen. Weil Michael Jackson so ganz nebenbei der bekannte Popsuperstar und Entertainer war, mochte man es ihm vielleicht nie so recht abnehmen, weil man erwartete, dass Gesang und Tanz bei ihm an erster Stelle stehen.
In diesen Gesprächen stellt es sich aber unmissverständlich dar, wem die hauptsächliche Energie seines Lebens gehörte.
Im Übrigen befindet auch der Rabbi in keinster Weise Michael eines verbrecherischen Verhaltens in seiner Beziehung zu Kindern für schuldig. Es ist richtig, dass er ihn eines verbrecherischen Verhaltens bezichtigt, doch in ganz anderer Art und Weise – dazu später.
Den Vorwurf des Kindesmissbrauchs kann man durch das Buch des Rabbis zumindest nicht wirklich unterstützen. Bezüglich der Vorkommnisse mit der Familie Chandler drückt er sich lediglich vorsichtig aus in Unkenntnis der rechtlichen Lage, genauso erklärt er es. Hier wurde er in schlecht abgeschriebenen oder übersetzten Werbeartikeln fahrlässig falsch zitiert oder interpretiert.
Frauen
Obgleich der Rabbi eingangs schwört, er würde es nie wagen, Michael über seine intimen Beziehungen zu befragen, kommt er mit seinem Diskussionsangebot über eine gesunde Ehe zum selben Ergebnis.
Da das Gesprächsthema „Ehe“ als scheinbar einzig zulässige Beziehungsform der Aufhänger ist, wird Michael befragt, warum er nicht mehr mit seinen Frauen verheiratet ist.
Michael, der sanfte und anschmiegsame Träumertyp (?), redet in frappierender Härte über Frauen.
Diese Wesen von einem anderen Stern weiß er – zumindest in diesen Dialogen – mit wenigen Eigenschaften zu beschreiben: geldgierig und mit Nichtigkeiten beschäftigt.
Das Misstrauen ströhmt giftig aus den wenigen Sätzen, die er von sich gibt und man wünscht sich spontan eine Liste der Frauen, mit denen er es zutun haben musste, wünscht sich überprüfen zu können, woran es nur liegen könnte, dass er es ausgerechnet nur mit den Berechnendsten und Oberflächslichsten von ihnen zutun hatte.
An den Frauen seiner Brüder hätte er das ganze Elend einer Beziehung abgucken können und überdies kann er es sich nicht vorstellen, 24 Stunden am Stück mit einer Person Zeit zu verbringen. Er weiß, dass die Frau an der Seite des Mannes sich immer an erster Stelle sieht und teilt mit, dies nicht anbieten zu können, weil die Welt und vor allem ihre Kinder ihn brauchen. Zumal er ein rastlos Reisender sei und schon gar nicht ständig an einem Ort verweilen könne.
In der Ehe mit Lisa sei sie sich wie ein Möbelstück vorgekommen und für diesen Vorwurf kann er immer noch kein Verständnis zeigen.
Ohne die Einzelheiten der Vorwürfe und auch lieben Erinnerungen aufzuzählen – Lisa Marie war in ihrer Ehe noch in ihren 20ern und er ganz sicher keine (zeitlich ausdauernden) Beziehungen gewöhnt. Viele Komponenten, wie ihre Zugehörigkeit zu der Scientology Sekte, spielen ein, aber vor Allem ihre Verweigerung, wie vor der Heirat vereinbart, gemeinsame Kinder zu bekommen, haben den Bund zerbrochen.
Da Michael es später noch einmal aufgreift, scheint gerade dieses gebrochene Versprechen ihn besonders erschüttert und enttäuscht zu haben.
Er spricht auch gut und hochachtungsvoll von Lisa – besonders dass sie keinen einzigen Penny von ihm wollte vergibt ihr den Sonderstatus – aber als sie nach der Scheidung noch mal ansetzte und wieder von neun gemeinsamen Kindern zu reden begann, war für ihn das Tor schon runtergerasselt.
Von Lisa Marie Presley, der als bekennender Scientologin immer der Gedanke folgte, sie wolle ihn ja nur für Scientology gewonnen haben, hört man jetzt viele Geschichten über jahrelange Besessenheit von Michael nach der Scheidung. Aber man weiß nicht, ob sie inzwischen begriffen hat, wie sehr es ihm um die Kinder ging.
Gefragt über die Mutter seiner Kinder, Debbie Rowe, konstatiert Michael nur kurz, dass er – der Rabbi – es nicht verstehen würde, weil er sie nicht kennt. Diese Unterhaltung wird nicht weitergeführt.
Der Rabbi fügt aber seinen Unbill darüber in mehreren Seiten Kommentar an.
Frauen, die Michael liebt und braucht, gehören zu dem Personenkreis, die „es“ haben. Die zu dem Geheimclub der Kindgebliebenen gehören und die sich an einem Wimperschlag erkennen, wie Shirley Temple Black oder Elizabeth Taylor.
Princess Diana ist die einzige jüngere Frau, die mit großer Wertschätzung besprochen wird.
Ich bin das Gefühl nicht losgeworden, dass Michael über seine Beziehung zu den Frauen, die er kennt, schlicht nicht erzählen will. Seine Bewunderung wie auch sein Ärger ist immer auch ein wenig flöskolös. Nicht unwahr, aber auch nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt.
Immerhin hatte der Rabbi den moralischen Überbau soweit festgesetzt – wie sollte Michael in so einer Unterhaltung aus dem Nähkasten plaudern.
Gedrängt auf ein Verlangen nach Nähe zu einer Frau, antwortet er mit einem Satz sehr bedarfsorientiert „na dann treffe ich mich halt mal mit einer Frau, da ist doch nichts dabei“.
Das lässt auf mehr schliessen, aber natürlich interessiert das den Rabbi nicht.
Zum Heilungsplan hätte auch die Hochzeit mit einer guten Frau gehört. Mit so einer, wie der Rabbi sie hat. Michael hätte dem nicht widersprochen.
Man kann sich an der Stelle des Buches schon gut vorstellen, warum nicht.
Katherine Jackson
Im Mittelteil des Buches ist ein Gespräch des Rabbis mit Michael’s Mutter Katherine aufgeführt.
Ich bezweifle nicht, dass sie eine hinreissend warmherzige Frau mit großer mütterlicher Ausstrahlung ist. Sie wird nichts weniger als als Engel und Heilige bezeichnet, sowohl von Michael wie auch vom Rabbi.
Das Gespräch sei für den Rabbi das Aufschlussreichste überhaupt gewesen und wird an Kraft und Reinheit herausgestellt.
Ich gebe offen zu mich schlicht gelangweilt zu haben – mit entsprechend schlechtem Gewissen, nach all der Lobpreisung.
Ich fand das Gespräch weder informativ noch analytisch irgendwie interessant oder sonst wie irgendwie erhellend angesichts der Themen, unter denen der Rabbi und Michael sich zusammengetan hatten.
Es mag vielleicht nur daran liegen, dass ich als Fan die wenigen „Rahmendaten“, die es über Mrs Jackson nachzulesen gibt, schon verinnerlicht habe.
Ich fand es halt nicht besonders interessant, nochmal zu erfahren, dass sie jeden Tag in der Bibel liest. Der Rabbi konnte mir schlicht nicht erklären, warum er das Gespräch mit Mrs Jackson in seinem Buch als so bahnbrechend empfand.
Es hat mich eher geärgert, denn mein Bauchgefühl unterstellte ihm an dieser Stelle seinen Gedanken „da hat der Michael so eine perfekte Mutter und trotzdem ist er so ein windiger Geselle geworden“.
Also ein weiteres Partikel im Katalog der Vorwürfe, mit denen das Buch gespickt ist.
Der Rabbi
Der Rabbi ist zum Zeitpunkt der Gespräche etwa 34 Jahre alt und damit etwa 8 Jahre jünger als Michael. Man ist erstaunt, das zu erfahren, ist er doch der mit dem Rauschebart, der diese vielen Bücher geschrieben hat mit den vielen Angeboten für ein gut geführtes Leben, die mehr als Empfehlungen sind und immer diesen Pathos der Unausweichlichkeit enthalten.
Eine Zusammenfassung seiner Karriere und die Liste seiner Bücher kann man hier nachlesen:
Ich weiß zugegeben nichts über den Berufs des Rabbis, wie man es wird und was er traditionell beinhaltet.
Rabbi Shmuley Boteach wurde jedenfalls früh als Sprecher abgeordnet – an der Oxford University. Hört man ihn aktuell in den Medien über dieses Buch reden, erkennt man schon eine Leidenschaft für das Besprechen seiner Sache, das über ein Talent für Öffentlichkeitsgewandtheit hinausgeht.
Wenn ich mir vorstellen, dass ein Rabbi das Äquivalent zu einem Priester ist, gehört das Reden in der Öffentlichkeit ganz sicher zu den Eigenschaften, die dieser Beruf erfordert.
Wenn ich den moralisch gefühlten Sonderstatus eines „Religionsarbeiters“ mal beiseite lasse, würde ich sagen, dass ich es mit einem eitlen Alphamännchen zutun habe, der sich in seiner Gesellschaft als Mann und Gelehrter mit Fuerza zu positionieren sucht – was ansich ja völlig legitim ist. Daran alleine fände ich nichts auszusetzen. Es kriegt nur seinen komischen Beigeschmack dadurch, dass der Rabbi genau dieses sich-selbst-hervorheben so arg kritisiert, Demut predigt und Eitelkeit straft.
Zwar brüstet er sich gleichzeitig damit, in Debattier-Duellen so wunderbar als Sieger hervorgegangen zu sein, aber eine wettbewerbsorientierte Haltung prangert er an.
Ich weiß nichts über den jüdischen Glauben und mache meine Eindrücke einzig und allein an dem fest, was der Mann Boteach in diesem Buch geschrieben hat. Und dann denke ich, dass dieser junge und sehr temperamentvolle Mann sich viel damit vorgenommen hat, dem Mann Michael Jackson einen Mehrwert und eine Botschaft zu bringen, die seinem Leben eine Wendung geben kann.
Ausgehend von dem, was der Rabbi an Gebrochenheit vorgefunden hat.
Michael soweit zu schulen, dass Glück und Zufriedenheit künftig im Alltag überwiegen.
Ich kann den Status der Bücher und Abhandlungen des Rabbi in der amerikanischen Gesellschaft, in der jüdischen Gemeinschaft, oder weltweit, nicht beurteilen.
Mit Sicherheit aber ist er das Dozieren gewöhnt und es gibt eine Aneinanderreihung von Sätzen und Botschaften, von denen ich den Eindruck hatte, sie seien gar nicht persönlich für Michael gemeint.
Da waren Absätze, die klangen so geübt und eingeschliffen … wäre ich der Angesprochene, ich würde mich ein wenig verraten fühlen.
Interessanterweise konnte er in dem Promotion-Interview mit Larry King ganze Passagen seiner Kommentare fast wortwörtlich aus dem Stehgreif wiederholen. Und es würde sich wie für Larry King gesagt anhören, hätte ich vieles davon nicht schon kurz zuvor in eben diesem Buch genauso gelesen.
Er ist also ein Oberlehrertyp, der Rabbi.
Das allein muss weder schlecht sein, noch an der Botschaft rühren.
In seiner Liga der religiösen Intelektuellen darf man es an Wortgewandheit sicher nicht mangeln lassen. Auf Gedeih und Verderb, so kam es mir hier und da vor.
Ich will auch gerne zugeben, dass sich diese kritische Sichtweise erst gegen Ende des Buches so richtig herausgetan hat, als ich das ganze Bild hatte.
Zu Beginn war ich von den Worten sehr angetan, er las sich durchblickend, weise, weltoffen und großzügig gegenüber den Herausforderungen der modernen Gesellschaft.
Spätestens jedoch, als es um die Zeugen Jehovahs ging – die Sekte, mit der Michael groß geworden ist und der seine Mutter sowie seine Schwester Rebbie immer noch angehört – war ich ehrlich erschüttert.
In Deutschland ist die Glaubensgemeinschaft übrigend offiziell keine Sekte – das sind meine Worte – sondern eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“.
Es ist gar nicht notwendig, dass ich hier meine persönlichen Ressentiments gegenüber den Zeugen anbringe, denn Michael sagt es selbst deutlich genug.
Er sagt sehr klar, warum er sich von der Gemeinschaft getrennt hat. Er erzählt, wie er keine Antworten auf seine Fragen bekam und wie er keinen Sinn mehr darin sah, sich weiter zu engangieren. Irgendwann hatte er dieses Kapitel seines Lebens bewusst abgeschlossen. Er berichtet es wirklich explizit, dass es seine Entscheidung war, die im richtig erschien.
Was also glaubt der Rabbi damit erreichen zu wollen, wenn er sagt, dass es echt besser wäre, wenn Michael wieder dorthin zurückkehrt?
Der Umfang seiner Weltoffenheit wird deutlich, wenn er in diesen Erzählströmen seine Vorwurfslitanei aufbaut. Es sei doch besser, sich den festigenden Strukturen dieser Gemeinschaft unterzuordnen. Michael brauche feste Grundsätze.
Für die Beantwortung von offenen Fragen bezüglich der Zeugen Jehovahs empfiehlt er ihm eines seiner Bücher.
Im vorliegenden Buch jedenfalls ist der religiöse moralische Anspruch des Rabbi reichlich beschrieben, aber es ist keinerlei Response auf dieses Verlangen seitens Michael dargelegt. Der hat seine Meinung dazu unmissverständlich gesagt und was der Rabbi posthum dazu an Kommentaren verfassen würde, konnte er natürlich nicht wissen.
Und die Kommentare sind oft eben jene Vorwürfe, die das Verletzen von religiösen Regeln anprangern.
Die Vorwürfe richten sich auf das Verlassen einer Welt, die der Rabbi versteht. Dort hat man täglich Riten zu bewältigen und man geht durch die Woche immer an einer Schnur von festgeschriebenen religiös motivierten Tagespunkten.
Natürlich ist das nichts Schlechtes. Niemand darf sagen, dass ein fester Tagesablauf oder gar ein besonders religiöser etwa schädigend oder dumm sind. Das meine ich auch nicht.
Und Regeln unterliegen wir alle, damit es sich besser zusammenleben lässt.
Und Beten ist schonmal noch nie eine blöde Idee gewesen.
Es mag auch ein guter Ansatz gewesen sein, den Nachts heftig umhergetriebenen Michael erstmal jeden Morgen aus dem Bett zu werfen, damit der Tag konstruktiv genutzt und in der Nacht möglichst tief und fest geschlafen werden kann.
Ich will dem Rabbi gar nicht absprechen, dass eine Alltagsdisziplin sehr hilfreich ist, um sich besser zu fühlen und seine Pläne besser in die Tat umsetzen zu können. Natürlich nicht.
Und es ist auch nicht unglaubwürdig, dass Michael in dieser Hinsicht Führung hätte gebrauchen können, denkt man nur an die durchwachten Nächte und die Kaufräusche.
Sicherlich gibt es auch Punkte, über die man trefflich streiten kann, wie etwa der Vorwurf des Pornografie-Konsums, der das Frauenbild in die Irre leitet und die Bindungsfähigkeit schwächt (der Rabbi zeigt sich über alle Maßen entsetzt, dass man bei Michael eine umfangreiche Porno-Sammlung gefunden hat, als sein Haus durchsucht wurde).
Aber der Punkt ist, dass der Rabbi Michael genau den Konservativismus abverlangt, aus dem er sich bereits mühseelig befreit hatte. Diese Entwicklung war durchlebt.
Als der Rabbi zu Beginn des Buches noch schmerzvoll beschreibt, wie er zu Zeiten des Bruches von einem Mitarbeiter Michaels mitgeteilt bekam, dass Michael als Weltstar, der er ist, nicht so normal werden könne, wie der Rabbi ihn haben will, trauert man noch mit diesem Scheitern der guten Pläne.
Doch da die Konversationen, die folgen, eben so wunderbar im O-Ton abgeschrieben sind, entsteht ein anderes Bild, das der Rabbi augenscheinlich zu sehen nicht in der Lage ist.
Michael
Drückt sich ganz klar aus, wenn er es will.
Als ich die Rückseite des Buches zuklappte wusste ich, dass es auch für Michael kein Privatgespräch war.
Da der Rabbi seine Dozierdosen liebt, ist Michael oft zum Zuhören verdammt und weite Passagen der Gespräche werden durch die Worte des Rabbis belegt. Aber nicht dominiert.
Der Rabbi hat eine Reihe von Fragen die er stellen will. Er stellt sie.
Wenn Michael darauf antworten will, antwortet er deutlich, aber nicht ausschweifend.
Will er die Frage nicht beantworten, antwortet er solange mit kleinen Gegenfragen, bis die Ursprungsfrage nicht mehr auf dem Tisch liegt.
Oder er triggert den Rabbi in einen seiner Themen an und lässt ihn quatschen.
Eine Stelle habe ich besonders gemocht:
Michael spricht über seinen Job und über die rechte Dosis, sich öffentlich zu zeigen. Er spricht über den Rhythmus, den jeder gutgemachte Job braucht. Er spricht über eine Dramaturgie, die man einhalten muss, um Wirkung zu erzielen.
Darüber, wie man Spannungskurven aufbaut und wie man sie eine Sekunde nach dem letzten Moment erleichternd bedient.
Am Ende dieser Unterhaltung macht er dem Rabbi ein tolles Kompliment, dass der ja ebenfalls über ein solches tolles Gespür verfüge.
Der Rabbi reagiert gebauchpinselt und ich musste laut lachen, weil es an genau dieser Stelle des Gesprächs eine so geniale Spitze über den Rabbi war – sprach der sich doch von jedem Manipulationsgebahren völlig frei.
Ob es dieses Talent ist, das Michael in den Gesprächen nutzt oder ob es einfach sein Naturell ist … hier wie auch in den meisten anderen Begebenheiten, in denen er sich zeigt, zeigt er sich derart reduziert, dass sich unweigerlich das „da ist doch noch mehr“ Gefühl in einem aufbaut.
Man liest ja hier nur die Worte, aber man darf sich schon wieder fragen, wie sehr anders Michael Jackson wohl ist, als sein Spielkameraden-Image verspricht.
Er ist so sehr viel trockener und nüchterner, als das Gefühl, das er in seinen Fans auslöst. Was er zu sagen hat, beschreibt er direkt und einfach.
Und viele nutzen das als Interpretationstummelplatz.
Er teilt einige sehr geerdete Ansichten mit, z.B. über Adolf ****** und über Geld.
Warum nur kann man diese Dinge anschliessend so verändert und sinnentfremdet in diversen Medien nachlesen? Man bräuchte ihn doch nur zu zitieren. Soviel Puste wie der Rabbi verbraucht er lange nicht. Würde vom Platz her in jede Kolumne passen.
Nach nur wenigen abgedruckten Dialogen schliesslich hat man zwei Männer vor sich, von denen der eine die ganze Welt bereist und jede Art Menschen getroffen hat und der andere sich in einem abgeschlossenen Universum von Büchern, Vorträgen und Dogmen zu befinden scheint.
Nicht zu vergessen der Altersunterschied von etwa 8 Jahren.
Die Eingangs so mühselig beschriebene Konstellation lässt sich durch die Dialoge nicht aufrecht erhalten. Das sollen die zwischengestellten Kommentare des Rabbis übernehmen, die das Gesagte noch mal zurechtrücken sollen.
Ich konnte mir gut vorstellen, wie das sicherlich in bester Absicht angebotene Heilungsprogramm des Rabbis einen Mann, der schon soviel mehr gesehen und erlebt hat, schwer erreichen kann.
Dieser Erfahrungsschatz hat leider kein Instrument gegen die Not, die Schwäche und den Schmerz gestellt. Aber zurückzugehen, dahin, wo er mal hergekommen war … das konnte nicht die Antwort sein.
Mein persönliches Resumé ist dies ganz gewiss.
Ich meine, zwischen so manchen Zeilen der abgeschriebenen Dialoge blitzte schon die innere Kündigung Michaels. Schade, dass er mit höflicher Zurückhaltung reagierte, statt dem Rabbi etwas entgegenzusetzen.
Der Schmerz
Der Rabbi bekommt die Gelegenheit, die Frage punktgenau zu stellen und Michael kann sie beantworten.
Warum dieser Schmerz?
Woher kommt das?
„What is hurting is that it all happened so fast and time has gone by so fast. You feel you missed a lot of things. I wouldn’t redo any of it. But the pain comes from the fact that you didn’t really get the chance to do important simple things and that hurt. Simple little things, like you don’t know... I never did birthdays or Christmases or sleepovers or none of that simple, fun stuff. Or going into a shopping market and just grabbing something off the counter, you know all those simpe things like going out in society and being normal.”
Being normal ... lest es nochmal.
Ist dieses Buch Verrat?
Danke, dass ich Michael auf diese Weise im O-Ton habe hören dürfen. Ich verspreche ich gehe respektvoll mit dem Gehörten um.
Ich kann Fans das Buch auf jeden Fall empfehlen, denn es ist schön, Michael zu lesen und einige Hintergründe über die Zeit um das Jahr 2000 zu erfahren.
Es ist auch schön, die beiden Männer gemeinsam zu lesen.
Der Rabbi hat Michael durch Weltanschauungsvorhang mit Sicherheit sehr geliebt und er schreibt auch viele sehr gute und anerkennende Dinge, die der Freundschaft eine Substanz zumindest zu Beginn geben.
Trotzdem, ja, ich finde es ist Verrat.
Alleine eine kleine aber feine Bemerkung über seinen Sohn Prince ist Indiz genug, dass die Gespräche vor Nutzung auf jeden Fall sorgfältig editiert gehörten. Und die Dialoge wären insgesamt gemeinschaftlich kommentiert und aufbereitet worden, nicht einseitig.
So macht man sowas einfach nicht.
Das Nachwort
Das Nachwort ist an Seiten für mich einfach zuviel gewesen. Die ersten Sätze haben Gift und Galle gespuckt in Bezug auf diese kranke moderne Welt und ich gebe zu, mich arg bis zum letzten Ende durchgequält zu haben. Der Rabbi hatte seine Punkte bis dahin ja gemacht, warum also noch mal dieses viel zu lange Wutgeseier über die Krücken der heutigen Zeit.
Als jemand, der sich eher einer Kunst- und Kultur-geprägten Gesellschaft zugehörig fühlt und auch das hier als sinnleer hervorgehobene Unterhaltungssegment durchaus zu geniessen weiß, ohne deswegen einen Lernstop zu erleiden, mag ich die Anprangerung von Künstlertum lieber etwas relativierter lesen.
Berühmt sein ist eine Begleiterscheinung der am Showleben anhängenden Industrie, durch z.B. das Internet ist ein Künstler bei mehr Menschen bekannt, als noch zu Zeiten der Postkutschen und deswegen zu schlussfolgern, sie setzen sich mit Gott gleich … da mache ich mir noch nichteinmal mehr die Mühe, diesem Gedanken zu folgen.
Ohne Frage kann man sehr berechtigte Negativauswirkung an unserer medial geprägten Welt festmachen, zweifellos sind vermeindliche Vorbilder, die in Photoshop geboren wurden, stark zu hinterfragen und unsere Kinder dahingehend aufklärerisch und stärkend zu erziehen.
Natürlich sollten wir nicht der puren Reiz- und Lustbefriedigung folgen, ohne deren Folgen für andere Menschen zu beachten. Selbstverständlich leben wir nicht allein auf der Welt und haben aufeinander Acht zu geben.
Platte Generalverurteilungen haben an solchen Problemen noch nie etwas gerührt.
Und das alles münzt er auf Michael ganz direkt als bedauernswerten „Godfather of Celebrity“, was es mir hier aber nicht wert ist, wiederzugeben.
Er strickt auf diese Weise auch einfache Erklärungsmuster für den frühen Tod von Michael, was meiner Ansicht nach schlicht nicht zulässig ist.
Die letzten Seiten sind ein Feuerwerk von Worthülsen, die nichts weiter als des Rabbis Alphamännchentemperament beinhalten … und auch ein bisschen beleidigte Leberwurst.
Er überschlägt sich in Ermahnungen und Abscheu und ich sehe im Geiste einen Hörsaal voller Studenten vor mir, die mit dem Schlaf kämpfen.
Und ich sehe und fühle nur noch ein tonnenschweres Geschütz an Schuld, mit der kein Mensch auf der ganzen Welt einen anderen Menschen therapieren kann.
Den allerletzten Teil habe ich nach diesem Bollwerk leider als Beleidung empfunden, als es nämlich zur Danksagung kam.
„Michael ich sage dir noch mal danke, nicht von Herzen, sondern weil der jüdische Glaube es mir so vorschreibt“.
Aber das ist meine Interpretation und das Gefühl, mit dem der Rabbi mich aus seinem Buch entlassen hat.
Damit es nicht an mir bleibt, hier die echten Worte:
Still, after all is said and done, I conclude this book with something that may surprise you. I want to acknowledge a debt gratitude toward Michael that should not go unpaid.
In the Jewish religion one of the greatest sins is to live as an ingrate. The Bible provides instances where human beings were expected to show gratitude even to inanimate objects. Moses was not allowed to smite the Nile and turn it into blood because it had earlier saved his life when he was a baby in a pitched basket. Similarly, Moses could not wield his staff against the dust of Egypt and turn it into lice because it had saved his life by allowing him to bury the body of an evil Egyptian taskmaster whom he had smitten. How much more so, to use the Talmudic phraseology, must one show gratitude and appreciation to a human being with whom one once enjoyed the solid bond of friendship and a deep bond of affection.
For all his destructive flaws and serious shortcomings, I became a better father as a result of my friendship with Michael Jackson. It was impossible not to, so passionate was Michael about the infinite value of children and so infectious was his enthusiasm for childlike creativity and wonder. For the rest of my life I will never forget Michael making me promise that I would look into my childrens’ eyes whenever I told them I loved them. More than anything else, this could have been Michael’s lasting legacy and unparalleled gift to the world. How tragic it truly is, therefore, that he corrupted that ideal.
A friend of mine told me that The New York Post had ridiculed me, the day after Michael’s arrest in November 2003, for a speech I gave a number of years ago where I stated that Michael inspired me to better value my children. But I still stand by those words. I do not believe in blind allegiance either to an active or a former friend. God and morality precede even kinship and friendship, and if someone we love or care about has contravened morality then their actions dare not be defended.
But I still believe in heartfelt gratitude. And I will always be grateful to Michael for inspiring me not just to appreciate the infinite value of my children but to act on that appreciation prioritizing them always. Amid his undeniable gifts, Michael had led a profligate and largely selfish existence and admitted to things, such as sharing a bed with children, that are unforgivable. That does not make him guilty of pedophilia, and if he was culpable it doesn’t annihilate the good he inspired. Any good things I picked up from him along the way remain with me, even as I lament his stunning destructive streak that culminated in his tragic and untimely death. As the great Jewish philosopher Maimonides wrote nearly a millennia ago, “Embrace the truth regardless of its source.” The truth that Michael strengthened inme about how my children are my greatest blessing is something for which I will forever be grateful.
My friendship with Michael was based, more than anything else, on how much he cherished children and served as a counterbalance to all the people whom I meet who feel sorry for me for having so many. As a father of a large family I find myself forever apologizing, as if I singlehandedly overpopulated the earth or committed a crime. The frequent and loaded stares from scronful onlookers imply that the famine in Africa was caused by my selfish fertility.
When I broach this issue with other American families who dare to exceed the two-kids-a-cat-and-a-goldfish national average, they too relate their experiences of suspicious gazes and raised eyebrows. At best one encounters puzzlement. At worst a look of condescension and pity as passers try to fathom why we would ruin our lives by loading ourselves with the burden of too many children, all of whom have to be paid for.
Greater financial prosperity has bought us larger homes but smaller families, fancier cars but fewer baby carriages. But in Michael Jackson I met a man who was the most famous and accomplished entertainer arguably of all time and all he wanted, as he repeatedly told me, were nine kids of his own. I can still remember him reading to Prince and Paris, having every lunch and dinner with them, and refusing to travel without them in tow. He taught me that one’s children are one’s greatest blessing, the bright light to which we all aspire, de deep glow to which we all are drawn.”
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