Ich habe schon etliche Bücher über Michael gelesen, aber dieses unterscheidet sich grundlegend von allen anderen. Sofort nach den ersten Seiten wird einem bewusst, wer es geschrieben hat: Kein mehr oder weniger seriöser Journalist, kein dubioser Freund, sondern ein Mann der durch und durch Geistlicher ist. Man kann den Menschen Boteach nicht von dem orthodoxen, erzkonservativen jüdischen Prediger trennen und unter diesem Aspekt sollte man was er schreibt auch betrachten.
Im ersten Teil beschreibt er in einer Kurzfassung ihre zweijährige Freundschaft. Nach einer kurzen Kennenlernphase in New York kommt der Rabbi zu Besuch auf Neverland und ihm fällt auf, dass Michael seltsam apathisch und lustlos wirkt. Mir kommen seine Schilderungen wie erste Symptome einer Depression vor, der Rabbi zieht einen anderen Schluss: Michael fehlt es an Spiritualität, er braucht den rechten Gottesglauben und einen geistigen Führer, der ihm hilft, sein Leben in Ordnung zu bringen. Michael ist zunächst von dieser Idee begeistert und sie treffen sich regelmässig.
Selbst wenn man nicht wüsste, wie die Geschichte ausging wird einem klar, dass das niemals hätte gutgehen können. Hier prallten einfach zwei Welten zusammen, die viel zu unterschiedlich waren, auch wenn sie auf einigen Ebenen gut harmonierten. Der Rabbi äussert sich oft recht wohlwollend über Michael , geht aber andererseits nicht gerade zimperlich mit ihm um, kritisiert seine - wie er sagt- Sucht nach Berühmtheit und Anbetung durch die Fans und seinen "Messias-Komplex" Gleichzeitig versucht er aber, die Ursache für sein Verhalten zu erkennen und zeigt sich dabei oft auch erstaunlich einfühlsam.
Für all Michaels Probleme kennt er eine einzige unfehlbare Lösung: Den festen Glauben an Gott und ein Leben nach den Lehren der Bibel. Er plant für Michael ein "normaleres" Leben, in dem er sich wohltätig für Kinder einsetzt, am besten mit einer guten Frau an seiner Seite. Bis zu einem gewissen Punkt zieht Michael mit, fühlt sich offenbar auch wohl dabei und erntet für diverse Auftritte (unter anderem die Oxford-Rede, die er gemeinsam mit Boteach schrieb) Anerkennung durch die Presse. Aber im Lauf der Zeit zieht er sich mehr und mehr von Boteach zurück, der vermutet, dass Michael wieder den Verlockungen des Showbiz erlegen ist. Michael lässt ihn schliesslich durch einen Sprecher ausrichten - er selbst sitzt daneben, sagt aber nichts - dass er so nicht weitermachen kann und will. Der Rabbi wendet sich gekränkt ab und geht auf spätere Versöhnungsangebote nicht ein.
Das Schwierige ist, ich kann persönlich keinen "Schuldigen" für das Ende der Freundschaft ausmachen. Der Rabbi handelte aus fester Überzeugung das Richtige zu tun, nicht weil er Michael bevormunden wollte, sondern weil sein Glaube keinen anderen Weg für ein glückliches Leben vorsieht. Die Fähigkeit über den Tellerrand seiner religiösen Ansichten zu blicken, besitzt er nicht. Und Michael schaffte es nicht, ein normales Leben zu führen, ganz einfach weil er gar nicht wusste, was das war, er hatte schliesslich nie die Gelegenheit es auszuprobieren. Abgesehen davon, dass er eben durch und durch Künstler und Freigeist war und sich nicht in eine vorgegebene Rolle pressen lassen konnte und wollte.
So endete die Sache mit Enttäuschung auf beiden Seiten, wobei man natürlich nur die Sicht des Rabbis kennt.
Alles in allem eine recht aufwühlende Lektüre, wobei für mich der ständige Bezug auf Gott und Religion etwas mühsam war, da ich zu konventionellen Religionen überhaupt keinen Zugang habe. In vielerlei Hinsicht kann ich die erzkonservativen Ansichten des Rabbi nicht verstehen, bestenfalls akzeptieren. Ich bin aber zu der Ansicht gelangt, dass er Michael keineswegs schaden oder mit dem Buch einfach abcashen will. Im recht pathetischen Schlusswort warnt er noch eindringlich vor den Gefahren, die die Besessenheit mit Ruhm und Reichtum für die ganze Gesellschaft bringt und schämt sich sogar dafür, dass er sich durch Michaels Aufmerksamkeit geschmeichelt gefühlt hat.
Kommentar