12.12.11: Review - “Frank Cascio: My Friend Michael”
Was können wir vom neuen Buch von Michael Jacksons langjährigem Freund Frank Cascio erwarten? Eines ist klar: Noch nie ist ein Buch erschienen, das einen solch persönlichen und tiefen Einblick in Michaels Persönlichkeit gewährt hat. Doch würde er hinter diesem Buch stehen und die intimen Veröffentlichungen gutheissen? Patricia von Jackson.ch hat ihren Eindruck hier verfasst:
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"The Story of an Ordinary Friendship with an Extraordinary Man: My Friend Michael"
Einleitung und Hintergrund
Vor kurzem wurde Frank Cascios Buch über seine "ordentliche Freundschaft mit einem ausserordentlichen Menschen" veröffentlicht. Frank Cascio ist der älteste Sohn der Cascio Familie aus New Jersey, mit der Michael Jackson sich Mitte der 1980er Jahre angefreundet hatte – eine Freundschaft, die bis zu seinem Lebensende Bestand hielt. Bis zum Auftritt von Michaels "zweiter Familie" bei der Oprah Show am 6. Dezember 2010 (siehe unsere Meldungen vom 6.12.2010 und 4.1.2011 dazu im Newsarchiv), war diese enge Freundschaft der breiten Öffentlichkeit unbekannt und es scheint erstaunlich, dass Michael Jackson diese Freundschaft über all die Jahre hinweg geheim halten konnte. Frank war fünf Jahre alt, als er Michael Mitte 1980er Jahre zum ersten Mal begegnete. 1993 begleiteten er und sein kleiner Bruder Eddie (anfangs mit ihrem Vater Dominc, später allein) Michael auf der Dangerous Tour. 1999 wuchs aus der engen Freundschaft auch ein Arbeitsverhältnis, als Michael Frank Cascio a.k.a. Frank Tyson im Rahmen der "Michael Jackson and Friends" Konzerte zu seinem Personal Assistant machte. Später wurde Frank Michaels Personal Manager, ein Arbeitsverhältnis, das Frank im Frühjahr 2002 beendete. Die Freundschaft zwischen Michael und Frank hatte gerade während der geschäftlichen Zusammenarbeit immer wieder Rückschläge hinnehmen müssen und auch die Anschuldigungen 2003 und der darauffolgende Prozess im 2005 hatten ihre Spuren hinterlassen und eine Zeitlang sogar dazu geführt, dass Michael und Frank keinen direkten Kontakt mehr hatten. Die ganzen Jahre über hielt Michael ungedachtet allfälliger Schwierigkeiten mit Frank seine Beziehung zu dessen Familie aufrecht (die jährliche Weihnachtsfeier beider Familien war zur Tradition geworden) und er vertiefte angeblich seine Freundschaft und geschäftliche Beziehung zu Franks jüngerem Brüder Eddie, was die ehemals eng verbundenen Brüder voneinander distanzierte. Mitte 2007 kam es bei einem Besuch von Michael und seinen drei Kindern in New Jersey zu Ehren von Connie Cascios 50. Geburtstag zu einer Aussprache und Wiederversöhnung zwischen Michael und Frank.
Rezension
Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich von diesem Buch erwarten sollte. Und nachdem ich gestern die letzten Seiten des 326-seitigen Buchs gelesen habe, kann ich immer noch nicht genau sagen, was ich von Franks Buch halten soll. Ich kann mir nicht helfen. Irgendwie werde ich dieses leicht beunruhigende Gefühl nicht los, dass es besser gewesen wäre, wenn das Buch nicht geschrieben bzw. veröffentlicht worden wäre. Versteht mich nicht falsch. Es ist interessant zu lesen und zeigt uns definitiv eine Seite von Michael, dem Menschen, Mann, Freund, Mentor und Vater, von der wir noch nicht sehr viel gehört und gelesen haben. Und gerade die Momente und Erlebnisse, die Michael als Ersatz- und später richtigen Vater sowie als Mentor zeigen, sind eine wahre Bereicherung. Das Buch hat auch zahlreiche schöne und rührende Fotos von Michael, die wir bisher noch nicht gesehen haben (meines Erachtens der eigentliche Schatz des Buches). Aber es gibt auch diverse Momente in Franks Buch, die mich persönlich soweit gebracht haben, das Buch auf die Seite zu legen und erst nach einer Weile wieder zur Hand zu nehmen. Zum Teil, weil es schwierige Momente in Michaels Leben oder seiner Beziehung zu Frank waren; vor allem aber, weil ich das Gefühl nicht los wurde, dass ich etwas erfahre, wozu ich eigentlich kein Recht habe. Frank betonte im Buch immer wieder, wie er die geheime Freundschaft seiner Familie und speziell seine eigene Beziehung zu Michael aufs Tiefste respektierte. Und dass dem während Michaels Lebzeiten auch so war, wird klar daraus, dass die Öffentlichkeit eigentlich so gut wie nichts von diesem engen Verhältnis wusste. Aber was ich mich immer wieder fragte, war: ist es (moralisch) richtig bzw. vertretbar, diese geheime und intime Freundschaft nun plötzlich der breiten Öffentlichkeit bis in alle (z.T. schmerzvollen) Einzelheiten zu präsentieren? Zudem gab es einige Stellen, in denen ich das Gefühl hatte, dass Frank über Michaels Innenleben spekulierte, er dies jedoch als Tatsache sah und entsprechend präsentierte bzw. hatte ich manchmal das Gefühl, dass Frank seine geschäftliche Rolle bzw. seinen Einfluss etwas zu wichtig nahm. In einigen wichtigen Momenten empfand ich auch, dass Frank Michael nicht ausreichend unterstützte bzw. Michael zu dessen Schutz in seiner Funktion nicht ausreichend Gegenwehr bot. Ein Umstand, den Frank am Ende des Buchs selbst eingestanden hat. Um fair zu sein, Frank war damals sehr jung; er war nicht einmal 20 Jahre alt, als Michael ihn zum Personal Assistant machte. Und er hatte keinerlei berufliche Qualifikationen. Alles, was er konnte und gelernt hatte, hatte ihm Michael über die Jahre hinweg beigebracht. Aber es ist natürlich nicht das Gleiche, wenn man aus einer engen Freundschaft heraus manchmal einen direkten Einblick in Michaels Welt und Denken hat und dann plötzlich 24 Stunden am Tag die geschäftlichen Interessen eines Megastars wie Michael Jackson, der ein solch unorthodoxes Leben führte und dieses grosse, komplexe Businessimperium hatte, mitvertreten soll.
Es geht hier auch nicht um die Frage von Michaels Image oder Vollkommenheit. Ja, es gibt Fans, die Michael als gottgleiche Figur sehen und leidenschaftlich allen den Kampf ansagen, wenn diese Michael kritisieren und/oder schlecht darstellen (was in einigen Fällen, wie bei den Kindesmissbrauchsanschuldigungen und der veränderten Hautfarbe, auch durchaus gerechtfertigt ist). Aber den meisten ist wohl klar, dass Michael Jackson eben auch nur ein Mensch war und neben seinen ausserordentlichen Stärken auch seine Schwächen hatte. Gerade das macht ihn ja auch zu einem so interessanten Menschen und macht sein kreatives Werk nur noch beachtenswerter und tiefgründiger – die Komplexität seiner Persönlichkeit und der immense Reichtum seiner Erfahrungen. Es ist also nicht so, dass mein beunruhigendes Gefühl etwas damit zu tun hat, dass man in diesem Buch Michael zum Teil in einem so menschlichen und fehlbaren Bild sieht wie noch nie. Sondern es geht mir darum, dass Michael sich Frank gegenüber so gab, wie er war und ihm auch vieles anvertraute, was er sonst niemandem sagte, da er ihm eben vertraute. Wie Frank Michael an einer Stelle zitierte, als dieser ihn zu seinem Personal Assistant machte: "Ich könnte diesen Job jedem geben, aber ich wähle Dich, weil ich Dir vertraue und ich liebe Dich wie einen Sohn. Vergiss nicht, ich habe Dich aufgezogen."
Ich schaue mir jeweils keine bereits veröffentlichten Buchrezensionen an, bevor ich mir nicht meine eigene Meinung gebildet und Euch diese mitgeteilt habe, da ich Euch meinen ganz persönlichen und unbeeinflussten Eindruck vermitteln möchte. Nachdem ich mir dieses Mal meine Gedanken zu Franks Buch gemacht und obige Abschnitte verfasst hatte, hat es mich aber Wunder genommen, wie die Leser sonst auf Frank Cascios Buch reagiert haben. Die meisten Rezensionen auf Amazon.de und Amazon.com, von MJ Fans verfasst, sind begeistert und haben dem Buch das Maximum von 5 Sternen gegeben – gerade wegen der brutalen Offenheit und dem direkten Einblick in Michael Jackson, den Menschen. Viele Fans freuen sich verständlicherweise bzw. sind dankbar, wenn sie so viel wie möglich über Michael erfahren, weil es ihn ihnen näher bringt. Ein paar Leser auf Amazon.com jedoch gaben dem Buch nur einen Stern und zwar, weil sie der Meinung sind, dass Frank seinen Freund Michael mit diesem Buch verkauft bzw. verraten hat.
Fazit
Ich werde Euch hier nicht sagen, dass es sich nicht lohnt, das Buch zu lesen. Ich kann Euch dieses Mal aber nach bestem Wissen und Gewissen auch keine warme Empfehlung abgeben (ausgenommen in Bezug auf die Fotos). Ich hoffe jedoch, ich konnte Euch mit diesem Review zumindest nahe bringen, was dieses Buch ausmacht und was Ihr davon erwarten könnt. Jeder Mensch ist anders und hat seine eigenen Erwartungen und was der eine schätzt und liebt, muss dem andern nicht auch zusagen. Am Ende soll sich jeder sein eigenes Bild machen bzw. seinen eigenen Entscheid fällen.
Patricia von jackson.ch
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