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Was hat Ihnen Michael Jackson bedeutet, Herr Avram?
Miami. Als Konzertveranstalter pflegte Marcel Avram lange Zeit eine enge Freundschaft zu dem Superstar. Über Michael Jacksons große Zeit, über seine vermeintlichen Spleens und die Stärken und Schwächen seine Freundes sprach er mit uns in Miami.
„Michael Jackson war mein Freund“, sagt Marcel Avram und zieht die Stirn dramatisch in Falten. „Solch einen Künstler wird die Welt nicht mehr erleben.“ Avram ist der einzige deutsche Promoter, der jemals Welttourneen durchgeführt hat – allein fünf mit Michael Jackson. 2013 feiert er sein 45-jähriges Berufsjubiläum – und schickt Eric Clapton, Bon Jovi, Leonard Cohen und Justin Bie*ber auf Tour. Ohne Avram wären Künstler wie Bruce Springsteen, Pink Floyd oder Michael Jackson damals nicht nach Deutschland gekommen. 2002 verklagte er „*****“ auf 17 Millionen Euro – und dennoch bezeichnet er diesen rückblickend als seinen Freund. Marcel Avram ist ein energiegeladener Mensch mit wenig Zeit, er verbringt viele Stunden im Flugzeug. Wir trafen den Weltenbummler in Miami, wo er eine Atempause nutzte für ein Gespräch über den verstorbenen Superstar.
Sie waren Michael Jacksons weltweiter Konzertpromoter. Wie haben Sie das geschafft?
1984 wollte Michael Jackson in Amerika auf Tournee gehen, er wurde von einem Sportpromoter aber völlig falsch gebucht. Ich bin rüber geflogen, um mir seine Show anzugucken. 1988, 1992, 1994, 1995 und 1997 habe ich dann seine Tourneen weltweit organisiert – als Produzent und Promoter – bis auf Amerika. Dort hat er nach 1984 nie wieder eine Tournee gespielt. Er war der Meinung, die Amerikaner würden ihn nicht mögen. Zudem sehen die Städte in Amerika alle ähnlich aus. Michael Jackson sehnte sich nach etwas Neuem – und das fand er mit meiner Hilfe in Europa und in Asien, Afrika und Südamerika. Ein Michael-Jackson-Konzert war attraktiv für alle Generationen und die ganze Welt.
Jackson soll in seinen Entscheidungen ziemlich irrational und unberechenbar gewesen sein. Wieso haben Sie sich dennoch mit ihm so gut verstanden?
Vielleicht, weil ich ihm immer meine ehrliche Meinung gesagt habe. Und das hat er sogar akzeptiert. Ich habe ihn immer als Mensch gesehen und nicht als spleenigen Künstler, der er eigentlich nie war. Im Unterschied zu seinem Manager und seinen Anwälten musste er mich nicht bezahlen, sondern ich brachte ihm Geld ein. Das hat ihm gefallen, da er bis dahin von vielen Leuten in seinem Umfeld ausgenommen wurde. Eigentlich wollte er ganz normal leben – aber er hatte dazu keine Chance. Er war einfach zu bekannt, zudem wurde er von den Medien als verrückt dargestellt, aber das war er sicher nicht.
Michael Jackson wird immer zwischen Genie und Wahnsinn beschrieben. Wie haben Sie ihn erlebt?
Viele große Künstler sind jung gestorben, sie bewegten sich auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Mozart, Chopin oder Van Gogh – das waren alles außergewöhnliche Menschen. Und Michael Jackson war der erste, der Musik, Tanz, Kostüme, Video und Special Effects vereinbart hat. Einmal sagte er mir, er wünsche sich ein Ufo über der Bühne. Dies solle am Schluss auseinanderbrechen wie bei einem Hollywood-Katastrophenfilm. Ich antwortete, das würde nicht gehen, wir wollen doch eine Welttournee spielen und nicht nur ein einziges Konzert durchführen. Da war er völlig verdutzt.
Wie erklären Sie sich, dass Michael Jackson über einen so langen Zeitraum ausschließlich mit Ihnen als Konzertpromoter zusammenarbeiten wollte?
Ich hatte das Glück, dass ich bei insgesamt fünf Michael-Jackson-Welttourneen drei Positionen gleichzeitig besetzen durfte: Ich war der Veranstalter, der Agent und der Promoter in Personalunion. In dieser Zeit hat Michael Jackson viermal den Manager gewechselt. Aber ich bin geblieben, weil ich alles hatte, was er brauchte. Bei mir fühlte er sich wohl. Ich habe dieses Genie auf seinem Zenit erlebt. Er war damals unangefochten der größte Entertainer der Welt. Wir haben auf unseren Tourneen insgesamt etwa 15 Staatsoberhäupter besucht – in Argentinien, Chile, Brasilien, Thailand, Brunei. In Moskau kam der Bürgermeister zu uns ins Hotel, und es wurden sofort Gläser gefüllt – selbstverständlich mit Wodka. Ich flüsterte Michael zu, er solle bloß dran nippen. Er trank ja höchstens mal ein Glas Rotwein.
Gesichts-OPs, Weißfleckenkrankheit, Weltflucht und Medikamente – Michael Jackson hinterließ auch eine rätselhafte Krankheitsgeschichte . . .
Michael Jackson litt an Hautproblemen und an Schlaflosigkeit, das raubte ihm die Lebensqualität und hat ihn am Ende auch umgebracht. Er rief mich oft nachts an und wollte reden über die Menschen, Länder und wie man sich in den jeweiligen Ländern benehmen bzw. verhalten sollte. Manchmal bin ich währenddessen eingeschlafen, aber er sprach trotzdem weiter. Die angeblichen Drogen, die er genommen haben soll, waren eigentlich nur Schlafmittel.
Wie konnte er trotz allem solch anstrengenden Tourneen bewältigen?
Nun, die ewige Jugend konnte er sich nicht kaufen. Das wollte er auch gar nicht. Aber mir fiel an seinem Händedruck auf, wie stark er trotz allem war. Er sah sehr schmächtig aus, aber sobald er auf eine Bühne ging und anfing zu tanzen, entwickelte er unglaubliche Kräfte.
Sie haben mit vielen großen Künstlern gearbeitet. Was war bei einer Michael-Jackson-Tournee anders?
Michael Jackson spielte in einer ganz besonderen Liga. Mit keinem anderen Künstler bin ich mit so vielen Flugzeugen um die Welt geflogen. Es war eine richtige Armada von Mitarbeitern. 1992 hatten wir vier Antonows aus der Ukraine, da fuhren wir mit unseren zwölf Trucks rein. Vorausgeschickt hatten wir drei oder vier Bühnen. Und eine Maschine war allein für Michael und seine engsten Mitarbeiter – er hatte darin ein eigenes Schlafzimmer. Solch eine Größe gab es sonst nirgendwo. Einmal mussten wir einen Tankstopp in Papua Neuguinea einlegen. Selbst dort kannte man ihn. Er hat sich so gefreut.
Wie sehen Sie die Vorwürfe gegen Jackson wegen Kindesmissbrauchs im Rückblick?
Michael Jackson wünschte sich, wieder Kind zu sein. Ob er zu Kindern sexuelle Kontakte gehabt hatte, kann ich nicht beurteilen. Dass er mit Kindern gespielt hat, ja. Daran ist nicht Falsches. Mehr konnte nie bewiesen werden. Selbst nach Jacksons Tod ist niemand aus seinem Umfeld aufgestanden. Deswegen sollte man diese Geschichte endlich ruhen lassen.
Wie kam es dazu, dass Sie Jackson 2002 wegen Vertragsbruchs und Betruges auf 17 Millionen Euro verklagten?
Michael Jackson wollte unbedingt auf den Titel des Guinness Book Of Records, weshalb er als einziger Künstler der Welt das erste und auch das letzte Millenniumskonzert spielen wollte. Der Plan war, zuerst in Sydney im Hafen aufzutreten und sofort nach Hawaii zu fliegen. Ich hatte alles organisiert, aber mein Michael war zu diesem Zeitpunkt so verdreht und von den falschen Leuten umgeben, dass er für dieses Event kaum geprobt hatte. Das Konzert musste abgesagt werden. Darauf musste ich ihn ansprechen, ihm die Situation klar machen und ihn schließlich verklagen. Es ging ja um Riesenverluste, und ich habe vor Gericht gewonnen. Bei der Verhandlung ging Michael auf mich zu und wollte wissen, warum wir überhaupt hier seien. Er trug mir nichts nach. Und als er seine Comeback-Konzerte in London vorbereitete, haben wir wieder telefoniert. Ich sollte vorbei kommen. Ich wusste, dass er die geplanten 50 Konzerte in London schaffen würde.
Jackson starb aber, bevor er die „This Is It“-Konzertserie in der Londoner O2-Arena in die Tat umsetzen konnte. Hätte er ein Comeback wohl schaffen können?
Ich glaube, eigentlich er wollte nur seinen Kindern zeigen, was ihr Vater so macht. Die haben ihn ja nie live performen sehen. Ich hatte eigentlich immer Kontakt zu ihm, auch, als wir nicht mehr zusammenarbeiteten. Er ist ein Freund gewesen. Schade um ihn, es gibt leider nicht mehr so viele richtige Freunde auf dieser Welt.
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