This is it!
Michael Jacksons Vermächtnis
von Sabine Oelmann
Was für eine Verschwendung! Ausgezeichnete Tänzer, großartige Sänger, hochbegabte Choreographen, Vocal Coaches, Musiker, extraordinäre Kostümdesigner, eine wahnsinnige Bühnenshow ... und das alles quasi umsonst. Für die Katz'. Aber wir haben nun eine Ahnung davon bekommen, wie es hätte werden können.
"This Is It!" zeigt einen Michael Jackson, der bei den Proben zu seiner geplanten Tour einen fitten, eine vitalen Eindruck macht, der Spaß an seiner Arbeit hat, der vor Ideen sprüht und der mit seinen jungen Tänzern mithalten konnte, ohne außer Atem zu geraten. Diese Ansicht teilen nicht alle, einige finden, er stünde am Rand, sei Teil einer Maschinerie - was ja durchaus sein kann. Aber es wirkt wie eine Maschinerie, die er kennt und beherrscht. Daran ist in diesem Moment nichts Trauriges, denn er glaubte an seine Tour: In 50 Shows rund um die Welt.
Gleich zu Beginn: Junge Leute, den Tränen nah, als sie vor der Kamera darüber reden, dass sie nun zum Team gehören. Sie wurden aus Hunderten gecastet, Hunderte, von denen der Laie sagen würde, dass jeder einzelne super tanzen kann. Michael Jackson hat seine Mannschaft gefunden, es sind um die 10 Tänzer, und jeder einzelne hatte einen Traum, jeder dieser Träume hatte mit Michael Jackson zu tun: Sie erzählen, wie er ihr Leben beeinflusst hat, wie sehr er sie inspiriert hat, wie sehr sie seine Musik lieben.
Aus den Filmmitschnitten zu seinen Proben ist nun so eine Art Vermächnis geworden: Wir sehen einen Mann, der genau weiß, was er will. Der, sobald die Musik erklingt, anfängt zu tanzen. Der mit seinen Musikern eins ist. Dessen Tänzer quasi seinen Schatten darstellen und dessen Gesangspartner er zu Höchstleistungen antreibt.
Wir sehen einen, der schon immer das gemacht hat, was er da macht auf der Bühne. Dieses Mal hätte es noch spektakulärer werden sollen, noch bombastischer, und eben ein Comeback, an das die Welt sich immer erinnern sollte. Das ist ihm nun gelungen. Nicht so wie geplant, allerdings. Fatal. Schade, wirklich ein Jammer.
"Heal the world!"
Fraglich vielleicht, ob er 50 Shows durchgehalten hätte, doch er tanzte und sang wie in seinen besten Zeiten. Schwach kommt er einem nicht vor. Ein bisschen müde manchmal, aber hochkonzentriert. Sein Lieblingswort ist wie eh und je "Love", sein Lieblingssatz "God bless you", seine Lieblingsmessage: "Save the Planet!" Man nimmt es ihm ab. Er macht Witze, er schäkert mit seiner Crew, er wird äußerst zuvorkommend von Regisseur Kenny Ortega behandelt, seine Leute fressen ihm aus der Hand, aber er bekommt auch mal Wiederworte; dann lächelt Michael, und dann sagt er: "That's what we are here for - rehearsal!"Also bitte, alle an ihre Plätze und nochmal von vorne. Er auch. Michael will, dass es perfekt ist. Aber auch für jeden "comfortable". Es gelingt ihm. Auch der Zuschauer im Kinosaal fühlt sich so.
Einige vermissen mehr persönliche Kommentare des "King of Pop", mehr Blicke hinter die Kulissen, andere sind froh, dass sie ihr Idol bei der Arbeit sehen dürfen, ohne Unterbrechungen. Video-Sequenzen zeigen einen Michael Jackson mit Sinn für Humor und einem Faible für's Kino: Für "Smooth Criminal" wurde Michael Jackson in einen Schwarzweiß-Videoclip kopiert. Im 30er-Jahre-Gangsterlook, verfolgt von Humphrey Bogart! "Thriller" tanzt er in 3D mit Zombies und bei "Billie Jean" wirkt es so, als wäre die Zeit stehen geblieben: Auch, wenn er zuletzt etwas zerbrechlich wirkte, auf der Bühne ist Michael Jackson der King.
Alles für die Tour
Dass Jackson ein komplizierter, nicht greifbarer Nicht-Normalsterblicher war ist allen klar. Wozu noch die dreckigen Details ausbreiten? Hier gibt es 112 Minuten Genuss, Staunen, Freude, Rührung. Wir sehen, wie sehr die Tänzer ihn anbeten, bei jedem "move" gehen sie mit, selbst wenn sie nicht auf der Bühne stehen. Die Sänger sind fantastisch. Sie werden trotzdem Karriere machen. Das beruhigt irgendwie.
Die Premiere von "This Is It" fand überall auf der Welt zur gleichen Zeit statt, die Kino-Betreiber sprechen von einem guten Start. Auf 935 Leinwänden allein in Deutschland spielt das fast zweistündige Stück, zusammengeschnitten aus über hundert Stunden Material, und nur zwei Wochen gibt es diesen letzten Einblick in Michaels Leben im Kino, dann wird er auf DVD vermarktet. Wie immer bei toten Stars wird nun auch Michael Jackson nach seinem Tod einen noch größeren Erfolg verbuchen können als zu Lebzeiten. Die Message des Films: Jackson wurde mitten in einer kreativen Schaffensphase aus dem Leben gerissen. Da ist sicher viel Wahres dran. Auch wenn der "King of Pop" in den letzten Tagen seines Lebens viele Spritzen und Behandlungen in Anspruch genommen hatte - es handelte sich um restaurative Maßnahmen, Botox & Co., alles für die Schönheit, alles für die Tour.
Zusammengefasst zeigt der Film, dass Michael Jackson nicht nur dieses merkwürdige Freak war, für den ihn viele - die sich für ihn interessierten - hielten, sondern ein Mann, der Maßstäbe gesetzt hat: Für den Tanz, die Musik, für ein Lebensgefühl. Und das gilt für den Michael, den wir da auf der Bühne sehen, nicht für den Michael, der in seinem Privatleben so viel Kurioses gemacht und erlebt hat, dass es an dieser Stelle keinen Platz mehr finden wird.
Und das ist auch gut so.
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