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Benjamin Crump, der Anwalt der Familie von Trayvon Martin, spricht am Montag bei der Nationalen Organisation für die Förderung farbiger Menschen (NAACP) in Orlando, Florida
Hamburg/Washington. Tausende Menschen gehen auf die Straße, Kapuzen-Sweatshirts finden reißenden Absatz in den USA. Der Freispruch des Todesschützen von Trayvon Martin, George Zimmerman, erzürnt viele US-Bürger. Zugleich wächst der Druck auf das Justizministerium, den Hispano-Amerikaner, der im vergangenen Jahr den schwarzen Jugendlichen in Florida erschossen hatte, erneut vor Gericht zu stellen. Die Behörde prüft einen solchen Schritt.
Multimedia Fall Trayvon Martin
Explosives Urteil – Freispruch für Todesschützen
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- Ein Urteil spaltet Amerika
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- Fall Trayvon Martin: Freispruch – "Zimmerman muss jetzt vorsichtig sein"
- Freispruch für Todesschützen: Fall Trayvon Martin: Freispruch erregt Gemüter in USA
Menschen trugen am Sonntag die schwarzen Kapuzenpullover beim Gottesdienst. Demonstranten haben sie bei nächtlichen Protestzügen an. Junge schwarze Lokalpolitiker treten darin bei Kundgebungen auf. Alles nach dem Motto "Wir sind Trayvon" – ein Ausdruck der Solidarität mit dem 17-jährigen, der einen "Hoodie" trug, als ihn der tödliche Schuss traf.
Der Freispruch für Zimmerman durch Geschworene in einem staatlichen Strafrechtsverfahren hat in den USA starke Emotionen geweckt, eine leidenschaftliche Debatte über Rassismus ausgelöst, wie es sie seit langem nicht mehr gegeben hat. Ungezählte Menschen drücken ihren Zorn und ihre Fassungslosigkeit darüber aus, dass Zimmerman ungeschoren davon kommen soll. Es gibt zwar auch andere Stimmen, Erleichterung über das Urteil. Aber in dem Sturm der Empörung gehen sie eher unter.
Festnahmen in Los Angeles und New York
Zu spontanen Protestmärschen kam es unter anderem in Los Angeles, Oakland, San Francisco, Boston und New York. Die meisten Demonstrationen verliefen friedlich. In Los Angeles und New York gab es jedoch mehrere Festnahmen, nachdem Demonstranten Steine und Flaschen auf Polizisten und Gebäude geworfen hatten. In der kalifornischen Metropole wurde zudem der Verkehr auf einer wichtigen Autobahn vorübergehend durch protestierende Jugendliche blockiert.
US-Präsident Barack Obama hatte zuvor zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufen. Er nannte den Tod des 17-jährigen Martin eine nationale Tragödie. Zugleich warb er für schärfere Waffengesetze, die er bisher im Kongress nicht durchsetzen konnte. Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, ein prominenter Verfechter strikterer Waffenregeln, argumentierte gegen weitreichende Selbstverteidigungsgesetze, wie sie in Florida gelten: Diese könnten zu "gefährlicher Selbstjustiz führen und diejenigen schützen, die leichtfertig mit Waffen hantieren", hieß es laut Medienberichten in einer Erklärung.
In Florida dürfen sich Bürger, die sich von einem Gewaltverbrechen bedroht sehen, mit allen Mitteln wehren – bis hin zur Tötung des mutmaßlichen Angreifers. Die Regelung ist unter dem Namen "Stand-Your-Ground-Law" (deutsch: Nicht von der Stelle weichen) bekannt. Ähnliche Gesetze gelten in vielen anderen US-Bundesstaaten. Die Verteidigung hatte sich im Prozess zwar nicht ausdrücklich auf diese Regelung berufen, dennoch entbrannte nach dem Freispruch eine neue Diskussion über das Gesetz.
"Nur weißes Leben ist in Amerika geschützt"
Ironischerweise hatte der Tod des unbewaffneten Jugendlichen zunächst wenig Aufsehen erregt. Der Aufruhr begann erst, als bekannt wurde, dass Zimmerman Wochen nach dem Vorfall im Februar 2012 noch auf freiem Fuß war. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass eine Festnahme nicht gerechtfertigt gewesen sei: Es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass Zimmerman nicht völlig legal von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch gemacht habe.
Damit entfesselten sich die Emotionen, wurde der Tod des Jungen plötzlich als Symbol für latente rassistische Untertöne im Alltagsleben und im US-Justizsystem verstanden. Die Medien trugen ihren Teil dazu bei, dass der Fall nie aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwand, über jede auch nur kleinste Drehung und Wendung im Verfahren wurde ausführlich berichtet.
Vor diesem Hintergrund schlug dann der Freispruch für Zimmerman wie eine Bombe ein, wurde verbreitet als grobes Fehlurteil verstanden - als erneuter Beweis, dass Justitia denn doch nicht auf beiden Augen blind ist, wenn der Täter weiß und das Opfer schwarz ist. "Nur weißes Leben ist in Amerika geschützt", hieß es etwa auf Protest-Plakaten.
So wächst der Druck auf das Justizministerium, Zimmerman doch noch zu belangen. Ungewöhnlich wäre ein zweiter Prozess vor einem Bundesgericht wegen Bürgerrechtsverstößen nicht. So wurde etwa den weißen Polizisten, die 1991 den schwarzen Rodney King während einer Verkehrskontrolle zusammengeschlagen hatten und dann in einem Strafrechtsverfahren freigesprochen worden waren, ein neuer Prozess gemacht, diesmal mit Schuldsprüchen. Schwere Ausschreitungen in Los Angeles hatten das Justizministerium unter Zugzwang gesetzt.
Zimmerman ist der einzige Zeuge
Viele Experten meinen indes, die Tötung Martins sei juristisch kein geeigneter Fall, um sie als rassistisch motivierte Tat zu ahnden - und um den Freispruch als absurdes Fehlurteil anzuprangern. Das schon deshalb, weil Zimmerman der einzig überlebende Zeuge des Vorfalls sei und niemand genau wissen könne, weshalb er während einer Patrouille als Bürgerwehr-Mitglied abdrückte.
"Er mag ein Möchtegern-Polizist sein, aber das macht ihn nicht zu einem Rassisten", kommentierte etwa Jurist Dan Abrams in einer MSNBC-Sendung. Zudem habe sich die Staatsanwaltschaft im Prozess grobe Schnitzer erlaubt. Vor diesem Hintergrund werde sich das Justizministerium auch neue rechtliche Schritte gut überlegen müssen: "Die Beweislage ist schwach." Nicht aber für die Schwarzen-Organisation NAACP, die via Internet Unterschriften für eine Petition sammelt, um die Justizbehörde zum Handeln zu zwingen. Der Zuspruch war in den ersten Stunden so groß, dass die Website mehrfach zusammenbrach.
Das alles deutet darauf hin, dass der Fall Trayvon Martin noch längst nicht abgeschlossen ist. Nicht für Zimmerman, der zum eigenen Schutz eine kugelsichere Weste trägt, nicht für die trauernden Eltern des Teenagers, und auch nicht für die Geschworenen, die das umstrittene Urteil fällten. Sie sollten sich am besten selbst töten, twitterte ein Football-Star, der den Freispruch als Skandal empfindet.
Stevie Wonder weigert sich in Florida aufzutreten
Stevie Wonder Boycotts Florida Over Stand Your Ground Laws, Zimmerman Verdict Stevie Wonder told a crowd on Sunday that he won't perform in Florida until the state repeals its controversial Stand Your Ground laws, effectively boycotting any state with similar legislation on its books."
I decided today that until the 'Stand Your Ground' law is abolished in Florida, I will never perform there again," the singer said in Quebec City. "As a matter of fact, wherever I find that law exists, I will not perform in that state or in that part of the world. The truth is that -- for those of you who’ve lost in the battle for justice, wherever that fits in any part of the world -- we can’t bring them back. What we can do is we can let our voices be heard. And we can vote in our various countries throughout the world for change and equality for everybody. That’s what I know we can do."
Florida's Stand Your Ground laws, which demand that authorities have proof that refute a self-defense claim before arresting or trying someone claiming self-defense, have come under heavy criticism during and after the George Zimmerman trial. Zimmerman was accused of murdering Trayvon Martin, an unarmed, black 17-year-old who was walking home. Police did not arrest Zimmerman for almost two months after he shot Martin dead on account of the law, though he did not end up invoking the law in his defense. (More information on the case is available in the gallery below.)
Stateline reports that at least 22 states have similar Stand Your Ground laws, with varying degrees of latitude. Some states, for example, require that someone invoking the defense first attempt to flee before using force, while others restrict the defense to situations that arise in one's home or office. Florida's law has neither of these restrictions.
"You can't just talk about it," Wonder added at his concert on Sunday. "You gotta be about it."
http://www.huffingtonpost.com/2013/0...=entertainment
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