London - Der Prozess gegen den Whistleblower Bradley Manning hat offenbar Auswirkungen auf Julian Assange. Der Mitgründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks erstattete nach Informationen des NDR und der "Süddeutschen Zeitung" bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe Strafanzeige. Assange wirft einem Ex-Mitarbeiter des US-Marine Corps demnach geheimdienstliche Agententätigkeit vor. Er soll ihn bei einem Kongress des Chaos Computer Clubs in Berlin ausspioniert haben.
Die Mission des angeblichen US-Agenten soll dem Bericht zufolge öffentlich geworden sein, nachdem er im Juni dieses Jahres als Zeuge im Prozess gegen Manning vor einem amerikanischen Militärgericht in Maryland aufgetreten sei. Manning wurde später zu 35 Jahren Haft verurteilt, weil er WikiLeaks rund 800.000 Geheimdokumente übergeben hatte. Der Ex-Soldat war eine Art Zeuge der Anklage der Militärstaatsanwälte.
Der ehemalige Mitarbeiter des US-Marine Corps soll demnach von 2006 bis 2010 in Stuttgart stationiert und in Deutschland in militärische Nachrichtendiensttätigkeiten eingebunden gewesen sein. In diesem Zusammenhang habe er Assange auch auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs im Jahr 2009 in Berlin im Visier gehabt. Assange hatte damals zusammen mit dem deutschen Computerspezialisten Daniel Domscheit-Berg das damals noch wenig bekannte WikiLeaks-Projekt vorgestellt.
Der Geheimdienstmitarbeiter soll über seine Mission in Berlin einen Geheimbericht geschrieben haben, der bis heute als geheim klassifiziert sei, berichten NDR und "Süddeutsche Zeitung". Assanges Strafanzeige gründet den Angaben zufolge auf dem Verdacht, dass der Ex-Soldat illegal auf deutschem Hoheitsgebiet geheimdienstlich tätig war. Neben ihm sei auch der französische Internet-Aktivist Jérémie Zimmermann auf dem Kongress ausgespäht worden.
Assange habe in seiner Strafanzeige den Bundesanwälten angeboten, sich per Video zu dem Vorgang vernehmen zu lassen, hieß es. Der Australier lebt seit rund einem Jahr in Ecuadors Londoner Botschaft, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen. Dort soll er vernommen werden, ihm werden Sexualdelikte vorgeworfen. Er bestreitet die Vorwürfe.
Assange hat sich den schwedischen Behörden mit der Begründung entzogen, er fürchte eine Auslieferung in die USA, wo ihm eine Anklage wegen der WikiLeaks-Enthüllungen droht. Die Enthüllungsplattform hatte im Internet Hunderttausende vertrauliche US-Diplomatendepeschen und brisante militärische Geheimdokumente zu den Kriegseinsätzen in Irak und Afghanistan veröffentlicht
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